* Impressum
 
Marie-Louise Gilles
 


Bericht

Repertoirevorstellung Oper Frankfurt
am 07.November 2010
Richard Wagner

'Die Walküre'

- Ein Kammerspiel -

 
 
  Ankündigung Oper Frankfurt    
       
 
DIE WALKÜRE
Richard Wagner
1813 - 1883

Text vom Komponisten
Uraufführung am 26. Juni 1870,
Königliches Hof- und Nationaltheater, München
In deutscher Sprache mit Übertiteln

Dauer: ca. 5 Stunden inkl. zweier Pausen
1. Pause von 25 Minuten nach dem 1. Akt (ca. 1 Stunde)
2. Pause von 35 Minuten nach dem 2. Akt (ca. 1 1/2 Stunden)
3. Akt ca. 1 Stunde 10 Minuten

 
Mitwirkende

Musikalische Leitung
Sebastian Weigle
Regie
Vera Nemirova
Bühnenbild
Jens Kilian
Kostüme
Ingeborg Bernerth
Dramaturgie
Malte Krasting
Licht
Olaf Winter

Siegmund
Frank van Aken
Hunding
Ain Anger
Wotan
Terje Stensvold
Sieglinde
Eva-Maria Westbroek / Edith Haller
Brünnhilde
Susan Bullock
Fricka
Martina Dike
Gerhilde
Anja Fidelia Ulrich
Ortlinde
Mona Somm
Waltraute
Eve-Maud Hubeaux
Schwertleite
Bernadett Fodor
Helmwige
Christiane Kohl
Siegrune
Lisa Wedekind
Grimgerde
Tanja Ariane Baumgartner
Roßweiße
Monika Bohinec

Frankfurter Opern- und Museumsorchester
 

ZUM WERK

In Pracht erstrahlt die Götterburg. Die Riesen, die sie errichtet haben, sind entlohnt. Der Regenbogen weist den Weg zum ragenden Bau. Mächtige Klänge in Des-Dur feiern den Einzug der Götter. Aber der Jubel ist schal. »Nicht wonnig ward sie gewonnen«, die Burg, der Wotan erst im letzten Augenblick, »wie von einem großen Gedanken ergriffen«, ihren Namen gegeben hat: Walhall. So endet Das Rheingold. Mit der Walküre beginnt die eigentliche Handlung von Wagners Ring des Nibelungen. Denn nun entfaltet sich der aus diesem Gedanken geborene Plan Wotans: das Unrecht, das er selbst mit in die Welt gesetzt hat, aus ihr wieder zu entfernen. Der Raub des Rheingolds muss rückgängig, der macht- und unheilbringende Ring unschädlich gemacht werden. Wotan selbst darf es nicht tun, ihn binden Verträge. So hat er das Menschengeschlecht der Wälsungen gezeugt und außerdem mit Erda, der Ur-Wala, ein Mädchen: die Walküre Brünnhilde, die mit acht Halbschwestern ein Heer für die letzte Schlacht aufbaut. Ein Sturm tobt zu Beginn dieses »Ersten Tags« des Bühnenfestspiels. Überzeugungen prallen aufeinander. Es gärt und brodelt überall. Sippen, Selbstverteidigung, kriegsähnliche Zustände. Im ersten Aufzug fügt sich das, »was nie sich traf«, die ehebrecherische Blutschande, die Geschwisterliebe: Siegmund und Sieglinde. Ein Schwert wird gewonnen, eine Flucht beginnt. Im zweiten Aufzug Streit und bitteres Einsehen und eine schonungslose Selbstbekenntnis. Die Begegnung mit Liebe führt zu Ungehorsam, Brünnhilde ist nicht mehr »Wotans Wille«, ein Kampf endet anders als gewünscht. Eine neue Flucht – und, im dritten Aufzug, eine Strafe, die Hoffnung in sich schließt. Wieder ein feierliches Ende: aber diesmal ein Abschied ins Ungewisse. – Kräfte zwischen Zügelung und Entfesselung ringen miteinander in der Walküre, Flüstern und Schreien und – wie Relikte aus alter Zeit – Inseln des Wohlklangs. Sebastian Weigle und Vera Nemirova führen ihre Deutung von Wagners Hauptwerk fort, und die raumbeherrschende Bühnenskulptur von Jens Kilian wird die sich wandelnden Zeiten mitvollziehen.

   
 

to top

   
   
  ’Die Walküre’ -
 Ein Kammerspiel
   
   
 
Frankfurt 7.11.2010

Der harte Kern von zehn hannöverschen Musikfreunden des Richard-Wagner-Verbandes besuchten, geleitet und sogar chauffiert vom unermüdlichen Vorstandsvorsitzenden Gunnar Lundin die Festlichkeiten zur 100-Jahr-Feier des RWV Frankfurt/Main und erlebten Wundersames:
die Kooperation der kulturellen Einrichtungen der Stadt:
Oper, Konservatorium, Sportclub, Museen, Banken mit dem Verband.

"Na also, geht doch!" sprachen die Musikfreunde nach der interessanten Einführung in die Inszenierung, die uns vor allem die Technik des Bühnenbildes, eine höchst variabel nutzbare Scheibe und ihre Aufteilung in Ringe, nahe brachte.
Nun gut: 'Wieland Wagner lässt grüßen!' - aber warum nicht?

Ebensolches "Na also, geht doch!" hörte man allenthalben in den Pausen voll Erleichterung, diesmal nicht mit Ekel-Regie-Theater gequält worden zu sein.

Im Gegenteil!
Soviel Delikates habe ich in einer Walküren-Aufführung, die ja oft recht grobschlächtig daherkommt, noch nie erlebt und das Publikum verhielt sich mucksmäuschenstill, war aufmerksam und beglückt.
 
 

to top

 
Die jungen Dirigenten scheinen 'pianissimo' und 'piano' zu entdecken, ernst zu nehmen und so bleibt die poetische Feinheit des Bayreuther 'Lohengrin' (Maris Nelsons)  - ohne die Rattenplage von Neuenfels - wie eine kürzlich in München erlebte 'Traviata' (Carlo Montanaro) in Erinnerung als 'Zauber der Oper'.

So war auch hier in Frankfurt das Orchester unter der Leitung von Sebastian Weigle der Superstar des Abends mit feinsten Abstufungen der Streicher, samtenem Bläsersatz und herrlich blühenden Soli.

 
 

to top

 
Auf der Bühne von Jens Kilian mit ihren vielen Möglichkeiten der Veränderung von hoch und tief, schräg und gegenläufig gestellten Ringen zeigte sich ein von Vera Nemirowa liebevoll und einfallsreich gestaltetes Kammerspiel, in dem die Charaktere der Figuren und ihre Beziehung zueinander in jedem Moment einleuchtend waren.
 
 

to top

 
Frank van Aken, ein sympathisch-solider Siegmund, ein strammer, robuster Tenor, liebte zärtlich und enthusiastisch seine ihm auch privat zugehörige 'Sieglinde* - Eva-Maria Westbroek, die den Abend mit aller Intensität bekann, im dritten Akt aber von 'Ortlinde' - Mona Somm' stimmlich gedoubelt werden musste, weil die böse Bazille, die auch meinen Hals plagte (und auch gestandene Baritone wie Bryn Terfel und Bo Skovhus zum Absagen zwang)sie zum Schweigen brachte.
Wir fühlten mit ihr und wünschten von Herzen 'Gute Besserung'.

Kerngesund und knackig präsentierte sich 'Hunding' - Ain Anger als Herr über Haus und Weib, ersang sich einen wohlverdienten Jubelapplaus und ich bedauerte sehr, dass er so bald sterben musste.

Terje Stensvold ist ein routinierter Wotan, ein Gentleman mit solidem Heldenbariton, aber wo ist das viril Attraktive, das dieser Weiberheld haben sollte und das 'aweng göddlich', das Wolfgang Wagner einem Wotan in Bayreuth empfahl?

Seine Fricka, Martina Dike, war dagegen ein straffe, kämpferische Göttin der Rechtsordnung, mit kraftvollem Mezzo, guter Diktion und vielen wohlüberlegten Nuancen in der Darstellung.

Das 'Walküren-Rudel' aus sehr individuellen Stimmen und Persönlichkeiten agierte anfangs statuarisch bei der Totenfeier für die gefallenen Helden (Krieg im Mythos oder in Afghanistan ist gleich entsetzlich, wie uns die Regisseurin klug vermittelt) entfaltete dann die verschiedensten Temperamente bis zu Waltrautes querköpfigem Laufsolo, schließlich wird sie sich ja in der Götterdämmerung mutig davonstehlen. Eva-Maria Westbroek agierte als Sieglinde stumm, wozu die rettende 'Ortlinde' - Mona Somm sang und dankbar gefeiert wurde.

Eine mir unverständliche Besetzung der Brünnhilde ist Susan Bullock. Sie sang, alle Töne kamen, bis zum strapaziösen Schluss, aber Birgit Nilsson, Ingrid Bjoner und Ute Vinzing im Ohr und so eine Art Gelsomina der Giulietta Masina in 'La Strada' auf der Bühne als Heldentochter stehen zu sehen, da enthalte ich mich jedes weiteren Kommentars.

In Erinnerung bleibt ein Abend voller Delikatessen, ein hoffentlich zukunftsweisendes abstraktes Bühnenbild und eine ergreifend menschliche Regiearbeit.

MLG
 

to top

Die gelb unterlegten Texte stellen Zitate dar.