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'Eine Mitteilung an meine Freunde'

Ausgabe
Nr. 20
Nr. 8/9 - 2018


 

 

 

 

 

 

 


 

 

    


 

 
Einleitung zur Ausgabe Nr. 20 / Nr. 8/9 – 2018

Vielerlei Ebenen

Eine Ebene ist ein Flachgebiet, das dem Auge nicht viel bietet, sich aber durch verschiedenartige Böden unterscheiden kann und daher fruchtbar oder kahl und leer ist.
Im übertragenen Sinne wird das Wort Ebene zur Beschreibung von Herrschaftsstrukturen verwendet.

In der Opera seria wie auch der buffa wurde streng zwischen der royalen und fürstlichen Ebene und der Ebene der Dienerschaft wie auch der sonstigen arbeitenden Bevölkerung unterschieden bis die Französische Revolution die ’égalité erkämpfte.
Die Frauen mussten allerdings noch über hundert Jahre weiterkämpfen und der Kampf ist noch lange in vielen Ländern nicht beendet.

Auch unsere Demokratie verwendet den Begriff: Ebene.
Da gibt es die Regierungsebene, die Verwaltungsebene, die Ebene der Rechtssprechung, die Ebene der Finanzwirtschaft, die Ebene der Realwirtschaft und wie immer ganz unten die, die arbeiten.

Auf welcher Ebene arbeiten nun die Darsteller am Theater?

Vom größten Teil der Bevölkerung, der sich bei Rock- und Popkonzerten stampfend und grölend amüsiert überhaupt nicht wahrgenommen, leben sie in einem Ghetto. Das ist zwar höchst lebendig, hat aber äußerst präzise Regeln.

Der unbezähmbare Wunsch zu spielen, zu tanzen, zu singen erfordert von den meisten in der Jugend Opfer und Disziplin, was ’normale Menschen’ kaum nachvollziehen können.
Nach Aufnahmeprüfungen, Studium und Examen hoffen die jungen Darsteller nun  mit Schwung auf eine Bühne zu kommen.
Aber schon tut sich eine unübersehbare Ebene auf, die der Agenturen.
Staatliche, kleine, große, internationale – wer ist zuständig, wer hat Interesse, wer hat seriöse Kontakte?
Das Vorsingen ist eine brutale Ochsentour, zumal der ’Markt’ von arbeitsamen Asiaten und prachtvollen Stimmen aus den osteuropäischen Ländern , wo sie nicht - wie wir – vom amerikanischen ’belting’ mit Bruststimme und Rockmusik übergossen wurden, sondern der ’belcanto’ überwintert hat.
Wurde nun mit viel Aufwand an Reisen ein Engagement ergattert, ist man als Anfänger von der nächsten Ebene abhängig:
der Leitungsebene des Theaters.
Wie lange läuft der Vertrag?
In welchen Stücken, Rollen, Partien werden die Anfänger eingesetzt?
Besteht die Möglichkeit, Fähigkeiten zu zeigen?
Wie ist die Arbeit mit dem Regieteam?
Quälerei – Beschimpfungen – ekelhafte Kostüme und Bühnenbilder?
Wer hält das durch - und am Ende der Spielzeit droht auch noch die Kündigung?

Der geneigte Opernfreund bewundert die großen Ausnahmestars, erfreut sich am einmaligen Jonas Kaufmann, der brillanten Diana Damrau, dem meisterhaften René Pape, dem Weltstar Anna Netrebko – einsame Spitzen, die aus der Ebene der vielen hart arbeitenden Talente herausragen.

Denen aber, die auf der mittleren und unteren Ebene arbeiten, sollten wir alle unseren Respekt und Sympathie zukommen lassen.

ML Gilles



 

Kalenderblätter

 

 

 

Gundula Janowitz
... am 02. August 1937 geboren

In Berlin geboren, verbrachte sie ihre Jugend in Graz, arbeitete dort neben ihrer Gesangsausbildung als Stenotypistin.

Ihre sängerische Tätigkeit begann sie 1960 bei den damals noch wirklichen  F e s t  - spielen in Bayreuth als Blumenmädchen im ’Parsifal’ und erhielt daraufhin eine Anstellung an die Wiener Staatsoper mit der Antrittsrolle der Barbarina in ’Figaros Hochzeit’.

Große Erfolge feierte sie als Pamina in der ’Zauberflöte’, als Donna Anna im ’Giovanni’, als Fiordiligi in ’Cosi’, als Gräfin in ’Figaros Hochzeit’, als Marschallin im ’Rosenkavalier’, als Arabella, als Ariadne in den gleichnamigen Straussopern.

Im jugendlich dramatischen Fach sah man sie als Agathe im ’Freischütz’ als Kaiserin in ’Die Frau ohne Schatten, als Sieglinde in der ’Walküre’ und als Desdemona im ’Otello’.
Neben ihren Auftritten in der Oper konnte man sie häufig in Konzerten und Liederabenden erleben.

Jürgen Kesting schreibt:
Gundula Janowitz schenkte den von ihr verkörperten Rollen „einen von innen leuchtenden Ton“ und das mädchenhafte werde verstärkt durch die „vibratoarm eingefädelten und dann crescendierenden Töne der hohen Lage, die instrumentale Führung der Stimme und die Feinabstimmung der Piano und Pianissimo-Grade.“

Leider bleibe bei diesem reinen Schöngesang der Text häufig auf der Strecke – sie sei gelegentlich ein wenig lippenfaul und achte zu wenig auf die Konsonanten.
Gundula Janowitz hatte das Glück die längste Zeit ihres Lebens – bis 1990 - in einem geschlossenen Ensemble, dem der Wiener Staatsoper, angehören zu können, in dem sie noch unter Karl Böhm, Herbert von Karajan und Josef Krips arbeitete.

Sagte zu ihrer ’Fidelio-Leonore’ jemals jemand etwas?

Tonträger gibt es heute noch viele, die ihre Gesangskultur dokumentieren. Beispielsweise das Evchen in Rafael Kubeliks ’Meistersinger’-Einspielung von 1968 oder  unter Solti die Arabella mit Bernd Weikl als Mandryka.

Auf dem Konzertpodium konnte sie sich ganz auf die Lautmalerei konzentrieren, musste sich nicht mit Gängen auf der Bühne und dem Zusammenspiel mit Kollegen ablenken lassen.

Beispielhaft ’Vier letzte Lieder’ von Strauss, von denen es mehr als drei Dutzend Aufnahmen gibt.

           



 

 

Ann Murray
... 27. August 1949 geboren

Mit sieben begann sie ihre Gesangsausbildung und setzte sie nach dem Studium von Englisch, Irisch, Französisch und Musik am Musikkolleg von Manchester fort.

An Covent Garden debütierte sie als Cherubin und erhielt durch die Vermittlung von Lucia Popp ein Vorsingen an der Kölner Oper mit dem Erfolg eines Vertrages für ’Cenerentola’.

Sie sang Dorabella, Pericole und Octavian und wurde daraufhin mit diesen Rollen auch nach Hamburg und Zürich engagiert.

Ihre bevorzugten Rollen waren die von Mozart und Rossini – dazu kamen die Charlotte in ’Werther’ und der Komponist in ’Ariadne’.

Darstellerisch fulminant ihr Xerxes in München an der Staatsoper und weniger überzeugend die Brangäne und der Leitung von August Everding im Münchener Prinzregententheater.

Kritische Stimmen gab es in Bezug auf die “nicht selten mit Druck gebildete Höhe“ und im Falle der Erregung wie in der Dorabella-Arie der Klang der Stimme “scharf und grell“ werde – so jedenfalls Kesting.

Einige Opernaufnamen sind noch am Markt wie auch 20 Lied-Recitals, davon allein vier Schubert-CDs. Eine Aufnahme von allen Bizet-Liedern.
           


 

 

 

Erwin Piscator
... am 03. September 1900 geboren

Drei Bühnen betrieb Erwin Piscator in Berlin in den Jahren 1927 bis 1931.

Ab 3. September 1927 spielte er im Theater am Nollendorfplatz, hinzu kamen das Wallner-Theater und das Lessing-Theater.

1931 musste er schließen, da die finanziellen Mittel nicht ausreichten, drei Häuser zu erhalten.

Piscator schuf ein völlig neues Theatererlebnis. In die Produktionen der Stücke wurden zur Verdeutlichung und Verdichtung der Darstellungen neue technische Möglichkeiten eingegliedert.
Man zeigte Filme, nutzte mechanische Mittel, baute eine Simultanbühne in das Geschehen auf der Bühne ein.

Die Kosten der Produktionen überstiegen sehr bald die finanziellen Möglichkeiten, die auch durch die Zuschüsse aus dem Hause der Tilla Durieux nicht aufgefangen werden konnten.
 

Zitat

Dem umfangreichen dramaturgischen Kollektiv der Piscator-Bühne gehörten zeitweilig

Bertolt Brecht,
Egon Erwin Kisch,
Leo Lania,
Heinrich Mann,
Walter Mehring und
Erich Mühsam

an.

Als Bühnenbildner wirkten an der Piscator-Bühne

George Grosz,
John Heartfield und
László Moholy-Nagy.

Als Filmproduzenten und -monteure Curt Oertel und Svend Noldan sowie als Musiker Edmund Meisel und Franz Osborn.

Hanns Eisler verfasste seine erste Bühnenmusik 1928 für Piscator.

Viele bekannte Schauspieler traten an der Piscator-Bühne auf:

Sybille Binder,
Tilla Durieux,
Ernst Deutsch,
Paul Graetz,
Alexander Granach,
Max Pallenberg,
Paul Wegener,
Hans Heinrich von Twardowski

und andere.

Zitatende
Wikipedia
           


 

 

 

Hans Carste
... am 05. September 1909 geboren

Er studierte erst Wirtschaftswissenschaften, hatte aber mehr Interesse an Musik und begann nach Klavierstudium eine Tätigkeit als Korrepetitor an der Volksoper in Wien, dann in Breslau.

Berlin war die nächste Station und schon im Juli 1933 trat er der NSDAP bei.

1939 komponierte er die Musik zum Film 'Die barmherzige Lüge' mit Paul Dahlke, Otto Gebühr, Heinrich Schroth, Agnes Windeck, Liselott Klingler, Elisabeth Flickenschildt, Ernst von Klipstein, Hilde Krahl, Jaspar von Oertzen, Felix Wallner.

Es folgte das Stammlied der Propagandakompanien der Wehrmacht mit dem Text:

'Lebe wohl, du kleine Monika'

mit der Textzeile:

'... der schönste Tod von allen

     ist der Soldatentod.'


1942 wurde er zur Wehrmacht eingezogen, verwundet und musste in russische Gefangenschaft, aus der er 1948 entlassen wurde.

Der Rundfunk im amerikanischen Sektor (RIAS) beschäftigte ihn als Redakteur, dann als Abteilungsleiter für Unterhaltungsmusik.

Von 1958 war er bis 1967 Aufsichtsratsvorsitzender der GEMA, erhielt 1961 den Paul-Lincke-Ring und wurde 1966 mit dem Titel ’Professor’ ausgezeichnet.

Im Deutschen Bühnenjahrbuch wurde vermerkt:

„Von ihm stammt auch die Erkennungsmelodie der 'Tagesschau'.“

           



 

 

'Das Leben des Galileo Galilei'
... am 09. September 1943 uraufgeführt

Die Regie führte Leonhard Steckel, der auch die Titelrolle spielte - es war die einzige Version des Stückes, die zu Lebzeiten Brechts gespielt wurde. Diese Fassung stammt aus dem Jahr 1939.

Im amerikanischen Exil erarbeitete er 1945 mit Charles Laughton eine Fassung, die auf den Leib des Stars als genusssüchtigem Galilei zugeschnitten war.


Die Weigel betätigte sich als Kostümbildnerin für die Aufführung in Beverly Hills. Man wusste, dass Laughton homosexuelle Neigungen hatte und mit den Händen in den Hosentaschen an sich herumspielte.
Brecht versuchte es ihm abzugewöhnen, Laughton bestand darauf, weil es sich um eine äußere Sinnlichkeit handle und Galilei schließlich nach Erkenntnis suche.
Die Weigel nähte die Hosentaschen einfach zu.
 

 


' .... treffe am morgen LAUGHTON, der schon im galileibart geht und froh ist, daß er nicht speziellen mut benötigt, den G. zu spielen, wie er sagt: keine headlines über mich.'

BB, Arbeitsjournal
 

Die Fassungen von 1945 und 1955 waren unter dem Eindruck des Abwurfs der Atombombe entstanden und prangerten nun den Wissenschaftler Galilei an, während in der ersten Fassung die Kirche kritisiert wurde, die sich als oberste Obrigkeit sah und sich mit der neuen Erkenntnis, dass die Erde keine Sonderstellung im Universum einnahm, was die katholische Kirche behauptete, konfrontiert sah.

Ernst Busch spielte 1955 in Berlin den modernen Physiker und Ingenieur, Friedrich Domin war in München der vielschichtige, lebensfrohe Astronom, ein kraftvoller Macher war 1961 Hans-Dieter Zeidler in Frankfurt als Galilei in der Regie von Harry Buckwitz.

Das Theater Regensburg spielte das Stück im Velodrom mit Martin Hofer in der Titelrolle und die Kirche musste sich mit dem Thema noch einmal beschäftigen:

http://www.telezeitung-online.de/Thema_des_Tages_31._Oktober_2012.htm

 


 

 

 

Eröffnung der Met am Lincoln Square
... am 16. September 1966

Am 22. Oktober 1883 erhielt die Stadt New York ihr neues Opernhaus mit 3045 Plätzen auf fünf Rängen, südlich des Longacre Square, dem heutigen Time Square, für 1,7 Millionen Dollar, aufgebracht aus Geldern von Sponsoren.

Der Innenraum in Rotbraun und Gold schuf weniger tragfähigen Stimmen Probleme, außerdem gab es akustische Löcher und Plätze von denen man nichts sehen konnte. Trotzdem schrieb dieses Gebäude Geschichte.


25 Jahre dauerte es, bis die Oper eine Weltpremiere spielte, man gab sich ganz konservativ und zeigte bis dahin nur Stücke, die im Ausland ihre Feuerprobe bereits bestanden hatten, nur was dort schon gegangen war, kam nach New York, denn hier gab es keine Hofgesellschaften, die die Theater trugen - nur freie Geldgeber.

Diese alte Met war ein Sänger- und Dirigententempel.
Marcella Sembrich, Lilli Lehmann, Maria Jeritza, Geraldine Farrar – sie war in 31 verschiedenen Rollen zu hören - Rosa Ponselle, Kirsten Flagstad, Lily Pons, Leontine Price, Birgit Nilsson, Joan Sutherland.

Die Herren Enrico Caruso, Leo Slezak, Giovanni Martinelli - er sang an 884 Abenden an der Met - Ezio Pinza, Luciano Pavarotti oder Placido Domingo.

Am 16. April 1966 senkte sich im alten Haus zum letzten Mal der Vorhang, die alte Met war den Anforderungen der Neuzeit nicht mehr gewachsen.
Für 190 Millionen Dollar entstand das neue Haus am Lincoln Square.

August Everding, der an der Met häufig inszenierte, konstatierte in einem 'Playboy'-Interview, die Met müsse 90 Prozent einnehmen, um zu überleben, also müsse man ein Programm machen, das 90 Prozent der Menschen überzeuge.

München schaffe 30 Prozent, die anderen Theater in Deutschland müssten somit - wie auch die Bayerische Staatsoper - hoch subventioniert werden.

Heute wird ein Teil des Met-Spielplan in Kinos in aller Welt übertragen.


https://www.metopera.org/Season/In-Cinemas/

           



 

 

'Der Biberpelz'
   ... am 21. September 1893 uraufgeführt

Das sozialkritische Stück fiel im Deutschen Theater in Berlin durch, nur drei Vorstellungen gab es - erst in der Aufführung vom 3. April 1897 am Volkstheater in Wien wurde es zum Erfolg, da man erkannte, wie die Hauptperson sich schlau gegen die Obrigkeit zur Wehr setzt.

1898 zeigte Otto Brahm das Stück am Berliner Lessingtheater. Er setzte sich auch für Ibsen und Strindberg ein - Hauptmann aber wurde sein Hausdichter.

Max Reinhardt kam mit dem Stück 1916 am Deutschen Theater mit Else Lehmann, Werner Krauss und Emil Jannings heraus - und von da ab wurde es wegen der gut durchgezeichneten Charaktere zu einem der beliebtesten Stücke, zumal die Rolle der Mutter Wolffen den Charakterdarstellerinnen wie Therese Giehse, Mila Kopp, Inge Meysel, Grethe Weiser alle Entfaltungsmöglichkeiten bot.

Brecht verband 'Biberpelz' und 'Der rote Hahn' zu einer sechsaktigen Fassung - die Hauptmann-Erben aber erhoben Einspruch gegen diese Lösung.

Die Familie Thalbach / Besson war monatelang mit einer Kombi-Fassung der beiden Stücke mit großem Erfolg am Theater am Kurfürstendamm.

Nachdem auch Gabriele Gysi die Hauptrolle spielte, fehlt nun nur noch Doris Dubiel, die mit Sicherheit eine 'umwerfende' Mutter Wolffen gewesen wäre. Aber der Regensburger Theaterdirektor kommt auf diese Besetzungsidee natürlich nicht. Dafür mimte sie als ’stumme Jule’ die Figuren: 'La Mère / Lillas Pastia/Le Guide' in der Neuinszenierung von Carmen am Oberpfälzer Metropol-Theater Regensburg.
Andere Stimmen zum Stück:

  • „Kleinmalerei ohne alle Handlung von Belang, welche in solcher Ausdehnung nur langweilt. […] Daß das öde Machwerk mehrere Aufführungen erleben dürfte, steht kaum zu erwarten.“ (Urteil der Berliner Zensurbehörde, 4. März 1893)
  • Arthur Schnitzler: „Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr ich vom ‚Biberpelz‘ entzückt gewesen bin. Es ist was Schönes, einen Großen so frech und lustig zu sehen.“ (Brieflich an Otto Brahm, 5. April 1897)
  • Hugo von Hofmannsthal: „Gestern hab ich den ‚Biberpelz‘ gesehen [in Wien], ohne ihn je gelesen zu haben: das ist doch durch und durch gut, in einem anständigen Sinn geistreich.“ (Brieflich an Otto Brahm, 10. April 1897)
  • Reinhold Schneider: „Der ‚Biberpelz‘ ist, als Verklärung der Diebin und Verhöhnung der Justiz, destruktiv revolutionär; das Stück dokumentiert in der Anlage eine merkwürdige menschliche und künstlerische Schwäche des großen Gestalters, wie sie, auf gleicher Höhe, kaum wieder angetroffen werden kann.“
    (R. Schneider: Winter in Wien. Freiburg i. Br. 1958, S. 88)




 

 

'Wallenstein'
   ... am 24. September 1583 geboren

Die Reformation setzte den Menschen zu - ihr Halt an der katholischen Religion ging verloren durch Vernunft, Wissen, die beide das Glauben ersetzte.

Sie sahen sich dem Übersinnlichen ausgesetzt, sahen die Sterne und begannen sie, in ihr Leben mit dem Wunsch nach einem Totalbild einzubinden.

Schiller bediente diese Tendenzen eines romantischen Aberglaubens als er die Astrologie in seinen Wallenstein aufnahm.

'Seni', eigentlich: Giovanni Battista Senno, war nach Golo Mann ein Scharlatan, der von Octavio Piccolomini bei Wallenstein eingeführt wurde.

Der 46-jährige überragende Militärstratege begab sich in die Hände eines etwas mehr als 20-Jährigen.

Die Hintergründe, des Warum es gerade dieser Jüngling sein musste, sind nicht aufzuklären.

Aber in mehrfacher Hinsicht denkbar.

Dass nicht alles rational entschieden wird, war und ist jedermann bekannt, hinterher ist die Klarheit größer. Da nun aber von Tag zu Tag die Sterne am Himmel stehen und man von altersher wusste, wie Mond und Sterne das Leben beeinflussen, so geriet die Menschheit in die Abhängigkeit der Astrologie.

Die Sterndeutung lag also im Falle Wallensteins in der Hand Senis, da Kepler mit seinen Voraussagen den Feldherrn nicht tagesgenau befriedigen konnte.

Seni war überall neben Wallenstein, er hatte Tag und Nacht Zugang zu ihm, war ihm nah, gab Ratschläge, wurde gut entlohnt und lieferte das, was Wallenstein forderte - die Tagesauskunft.

Er erfuhr auch von den Strömungen gegen den von ihm so völlig Abhängigen - dessen Leben in den Händen des ihm so Nahestehenden lag.

Den Mord sagte aber er so kurzfristig voraus, so dass Wallensein seinem Ende nicht mehr entgehen konnte.

Belegt ist, dass Seni bestochen worden war und für Geld Wallenstein opferte.

Schillers dramatisches Gedicht 'Wallenstein' in drei Teilen wurde von 1798 - 1799 in Weimar uraufgeführt.

Basis des Werkes ist die Beschäftigung Schillers mit dem Dreißigjährigen Krieg - der ja gerade 150 Jahre zuvor zu Ende gegangen war - und dem rätselhaften Feldherrn Albrecht Wenzel Eusebius Wallenstein.

Regisseure mit großer Reputation setzten das Werk in Szene:

- Leopold Lindtberg,

- Oscar Wälterlin,

- Ulrich Erfurth,

- Karl Paryla,

- Gustav Gründgens,

- Hans Schalla,

- Hansgühnter Heyme,

- Walter Felsenstein,

- Manfred Wekwerth.

Die dramatische Einrichtung von Heiner Müller in der Regie von Klaus Emmerich von 1985 konnte nicht überzeugen.

           




 



Kommentar

Meistersänger und Ekelbilder

Den ’Parsifal’ der Bayerischen Staatsoper konnten Opernfreunde auf Livestream und tags darauf auch noch in der Mediathek daheim auf dem Bildschirm des PCs erleben und ersparten sich die teure Reise nach München, das Hotel und die Eintrittskarte.

Außerdem konnten diese ungehemmt und lauthals ihrer Bewunderung und ihrem Unmut Ausdruck verleihen.

Das Orchester der Bayerischen Staatsoper spielte untadelig, klangschön, zart und feierlich, so wie es sich Richard Wagner gewünscht hatte.

Dem Dirigenten zuzuschauen, wie er jedes Tempo, jede Nuance wissend und liebevoll vorbereitete, präzise Einsätze für seine Musiker, den Chor und die Solisten gab, war schon die lange Sitzung wert und wenn es auf der Bühne allzu blöd anzusehen war, schwenkte die Kamera dankbar zu ihm und seinen Leuten im Graben.

Wer aber sitzt in den Büros, ein solches Regie-Kostüm-und-Bühnenbild-Team für ’teures Steuerzahlergeld’ zu engagieren?

Soviel Nicht-Können, soviel hasserfüllte Scheußlichkeiten sind in diesem hochsubventionierten Haus zu besichtigen, dessen Leitung wohl nur danach engagiert:
“Er hat doch einen Namen!“

Wer den Kunstmarkt beobachtet, wer da 'gehyped' wird, um sich viel Geld zu verdienen, ahnt, wie so viel Unsinn und Nichtkönnen in unsere Theater einzieht, um das Publikum zu quälen und schließlich aus den Häusern zu vertreiben.

Die Kluft zwischen musikalischem Können des Orchesters und sängerischen Meisterleistungen gegenüber inszenatorischem Unvermögen durch Regie, Bühnenbild und Kostüme ist immens.

Ganzkörper-Trikots mit aufgesetzten Arschbacken und falschmontierten Penissen für die Gralsritter, Hängebrüste mit blutigen Warzen und ebensolchen Schenkeln für die Blumenmädchen, ein monströser Kragen für

Klingsor sieht aus wie ein Fallschirmspringer, dessen Halterung ihm die Luft abzuschnüren drohte, dazu ein vorgeschnallter Bauch riesiger Dimension.
Kundry - entweder in Trainingshose oder im schlichten schwarzen Abendkleid, in dem sich gleich nach dem Auftritt in der Bayerischen Staatsoper noch irgendwo schnell eine 9. Symphonie singen kann,
Parsifal in schwarzer Handwerkerkluft mit Cargo-Hose (da kann nichts schiefgehn!), Gurnemanz in flottem Leinenhemd,
Amfortas mit Gehstock, weitem Mantel und blutiger Bauchbinde.

Wer ist der Held, der den ganzen Unsinn anzündet und die großartigen, wissenden
Sängerdarsteller auf der leeren Bühne agieren lässt?
Das Spiel bei allen, ließ man sie alleine machen, überzeugend.

René Pape als Gurnemanz ein unvergessliches Ereignis! Jeder Ton, jedes Wort gekonnt und durchdacht, wahrhaft meisterlich.
Jonas Kaufmann als Parsifal – vom verwirrten Toren zum wissenden Helden reifend, hat inzwischen auch die Heldentöne, die er demnächst für den Tristan braucht. In jeder Sekunde wach und präsent – und gut aussehen tut er auch noch!
Nina Stemme als Kundry sang perfekt, spielte alle Nuancen dieser zerrissenen Figur aus, aber in diesem unsäglichen Bühnenbild unter dem Vorhang hervorkriechend, kann niemand erotisches Flair herbeizaubern.
Christian Gerhaher zeigte allein in seinem Gehen – eines König Lear würdig - die ganze Hinfälligkeit der Figur – sängerisch über jeden Zweifel erhaben.
Wolfgang Koch – darstellerisch wie stimmlich hier als brutaler Meister der Verderbtheit: Klingsor.

Die drei großen Symbole:
Der Gral: den gibt es gar nicht.
Der Speer: ist zu einem Kreuzlein in Stricknadelgröße geschrumpft.
Die Quelle: auf das Stichwort ’Taufe’ sabbbert etwas Wasser aus dem nackten Bühnenboden.

So sitzt man denn vor seinem Bildschirm, bewundert die sängerischen Leistungen oder flucht ob der optischen Idiotien.
Gut dass mein Haus allein steht, sonst hätten die Nachbarn wegen meiner Kommentare die Polizei gerufen.

Marie Louise Gilles




 

 

 

Kommentar
 


Zitat

Chef lernen!
 

Theaterintendantinnen und -intendanten brauchen vieles: Künstlerische Qualifikationen, Managementfähigkeiten - aber vor allem Sozialkompetenz. Der autoritäre harte Hund vergangener Tage sollte schon lange kein Vorbild mehr sein, auch dann nicht, wenn er oder sie künstlerisch Einmaliges abliefert. Gefragt sind vielmehr Männer und Frauen, die auch mit einer sehr differenzierten und sensiblen Mitarbeiterschaft auf allen Ebenen umzugehen wissen.


Normalerweise wird außer im Feuilleton der Zeitungen oder in einschlägigen Online-Portalen kaum jemals über die Besetzung von Führungspositionen in Kultureinrichtungen geschrieben - es sei denn, es ist etwas gründlich schief gegangen oder verursacht großen Ärger. Das war in der jüngsten Vergangenheit gleich mehrfach der Fall.

 

SCHERBENHAUFEN:
VOLKSBÜHNE BERLIN, COTTBUS, GIEßEN UND KÖLN

Nach weniger als einem Jahr Amtszeit trat der Intendant der Berliner Volksbühne, Chris Dercon, zurück oder wurde zurückgetreten - je nach Sichtweise auf die verworrene Situation, die viel mit Dilettantismus auf Seiten Dercon und auch auf Seiten der Senatsverwaltung zu tun hatte (Bühnengenossenschaft 5/18).

Als Kulturstaatssekretär Tim Renner ihn 2015 als Nachfolger von Frank Castorf benannte, sollte Dercon das Haus vom klassischen Ensemble-Betrieb weg und hin zu einer nicht näher definierten Plattformstruktur führen. Nach einer Abgeordnetenhauswahl, die einen neuen Kultursenator ins Amt brachte, war davon nicht nur keine Rede mehr:

Klaus Lederer (Linkspartei) erklärte Dercon zur Fehlbesetzung. Inzwischen gibt es mit Klaus Dörr zwar einen Interims-Intendanten. Wie es mit der Volksbühne weitergehen soll, weiß aber so recht keiner. Zu diagnostizieren bleibt jedenfalls ein hauptstädtisches Politik-Desaster mit folgendem Image- und Finanzschaden für das renommierte Haus.

Auch in Cottbus ist die Zukunft unklar. Eine Regionalzeitung stellte gar den Bestand des Staatstheaters in Frage, was zwar als übertrieben gelten darf. Aber immerhin hat Intendant Martin Schüler im Mai seinen Rücktritt angekündigt und die Verantwortung übernommen für einen Streit um den Generalmusikdirektor Evan Christ, der seinen Vertrag nun zum Spielzeitende auflösen will, nachdem ihm Beleidigungen, Mobbing und offene Aggression vorgeworfen worden waren. Das Orchester verweigerte die weitere Zusammenarbeit mit dem GMD. Sänger und Schauspieler hatten sich solidarisiert. Versuche, die Zusammenarbeit mit Christ zu retten, schlugen fehl - wohl auch, weil der Dirigent dem Vernehmen nach wenig Einsehen zeigte.

Darauf erklärte Intendant Schüler „die Nöte des Ensembles und die Zwänge, unter denen Leistungen erbracht wurden, aus dem Blick verloren" zu haben. Anschließend wurde auch noch der Vorstandsvorsitzende der Brandenburgischen Kulturstiftung Cottbus-Frankfurt/Oder, Martin Roeder, fristlos gekündigt. Er hatte Ende 2017 die Vertragsverlängerungen von Intendant und GMD vorgeschlagen. Auch in der zweitgrößten Stadt Brandenburgs gibt es analog zu Berlin zwar mit Serge Mund inzwischen einen Geschäftsführenden Direktor, der in Personalunion Stiftungsvorsitzender ist. Eine längerfristige Perspektive ist aber zunächst nicht erkennbar. Und die Beschäftigten müssen sich angesichts des erzwungenen Intendantenwechsels mit drohenden Nichtverlängerungen auseinandersetzen.

In Gießen und Köln liegen die Dinge zwar weniger eindeutig, lassen aber durchaus ebenfalls mangelnde Sozialkompetenz der handelnden Personen durchschimmern: In der mittelhessischen Universitätsstadt wird dem Generalmusikdirektor Michael Hofstetter einem Bericht der Gießener Allgemeinen Zeitung zufolge der Versuch vorgeworfen, eine Inspizientin zu schlagen und ein andermal mit einem Mikrofon geworfen zu haben. Schaden ist zwar offenbar keiner entstanden, aber selbst dem GMD eigentlich freundlich gesonnene Beschäftigte räumen dessen schwierige Persönlichkeit ein.

Und in Köln muss sich Intendant Stefan Bachmann gegen Mobbing-Vorwürfe wehren, die zunächst der Spiegel in einem offensichtlich nicht ganz unvoreingenommenen Beitrag erhoben hatte. Es herrsche eine „Angstblase" im Theater, die insbesondere von Bachmanns Ehefrau, der Schauspielerin und Regisseurin Melanie Kretschmann ausgehe. Von Psychoterror ist die Rede.



WEG VOM KÜNSTLERISCHEN ALPHA-MÄNNCHEN

Beide letztgenannten Vorfälle könnten als Beispiel für eine eigentlich erfreuliche Entwicklung dienen: Was vor Jahren noch als verzeihliche Schrulle des künstlerischen Genies durchgegangen wäre, wird heute nicht einfach hingenommen.

Die Zeit der Berserker-Intendanten scheint endgültig vorbei, die Ensembles haben sich unter Mithilfe ihrer Gewerkschaften emanzipiert. Die Kriterien, die an künstlerisches Leitungspersonal angelegt werden, konnten verschoben werden - weg vom künstlerischen Alpha-Männchen.

Bevor es zu Offenen Briefen des Ensembles und medialer Skandalisierung kommt, sollte allerdings eine interne Konfliktlösung gesucht werden. Gespräche und Mediation können helfen. Die jüngsten Vorgänge in Köln zeigen aber gleichzeitig auch, wie unterschiedlich Sichtweisen sein können: Während die einen den angegriffenen Intendanten stützen, gibt es gleichzeitig auch per Medien transportierte grundlegende Kritik.
 

Anfang Juni hat der Deutsche Bühnenverein einen Verhaltenskodex gegen sexuelle Übergriffe und Machtmissbrauch als „Katalysator gesellschaftlicher Weiterentwicklung beschlossen (siehe Kasten) - was sich so verstehen lässt, dass an den Theatern nicht nur angemessene Umgangsformen einziehen sollen, an denen es mancherorts offenbar fehlt.
 

Zitat

BÜHNENVEREIN

Gegen Übergriffe und Machtmissbrauch
 

Der Bühnenverein hat auf seiner Hauptversammlung am 9. Juni in Lübeck einen Verhaltenskodex verabschiedet und sich mit Herausforderungen der Digitalisierung auf, vor und hinter der Bühne beschäftigt.

Der Kodex zur Prevention von sexuellen Übergriffen und Machtmissbrauch sei kein Katalog, der menschliches Verhalten bis in den letzten Winkel hinein diktiert und ausleuchtet, aber er soll die Theater und Orchester bestärken, mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern immer wieder auszuhan­deln, wie man miteinander umgeht und arbeitet" sagte Bühnenvereinspräsident Ulrich Khuon. Die Theater gäben „grundlegende künstlerische Impulse in eine sich stets wandelnde Gesellschaft und sind daher nicht nur Bewahrer der künstlerischen Freiheit, sondern auch Katalysator gesellschaftlicher Weiterentwicklung'. im Bühnenverein organisierten Häuser verpflichten sich auf „gemeinsame Werte" und wollen darüber hinaus Haltung zeigen: „Wir ermutigen uns gegenseitig, jede Form von Übergriff oder Diskriminierung zu unterbinden. Geschlechtergerechtigkeit und Chancengleichheit sind für uns elementar. Wir stellen uns der Herausforderung, die Diversität unserer Gesellschaft in unseren Häusern abzubilden und zu leben. Innerbetrieblich zeigen wir einander Respekt und Wertschätzung. Wir sorgen für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit in den Betrieben und ein soziales Miteinander mit dem Willen, Konflikte offen anzu­sprechen und zu lösen. Wir bemühen uns um klare und vertrauensvolle Kommunikation auf allen Ebenen unserer Häuser."

Als weiteren wesentlichen Schritt in Richtung Geschlechtergerechtigkeit beschloss der Bühnenverein eine paritätische Besetzung aller Gruppenvorstände und Gremien in absehbarer Zeit Zu dem soll die Fortbildung zum Allgemeinen Gleichstellungsgesetz (AGG) verstärkt werden.

In einem weiteren Themenschwerpunkt betonte der Bühnenverein, Digitalisierung werde alle Arbeitsbereiche betreffen - nicht nur die künstlerische Praxis, sondern auch Weiterentwicklungen und Synergieeffekte allerorten. Die digitale Vernetzung eröffnet aus Sicht des Bühnenvereins auch verstärkte Möglichkeiten des Austauschs der Häuser untereinander.

Zitatende


Zugleich sollen die Bühnen eine Vorreiterrolle auch für andere gesellschaftliche Institutionen spielen. Womit sich die Häuser dann end­lich mit Machtmissbrauch nicht nur deklaratorisch auf der Bühne beschäftigen würden. Bloß wird die Debatte hinter den Kulissen nicht immer fortgeführt. Wenn sich das ändern soll, ist sicher hilfreich, dass Intendanz-Tyrannen à la Peymann oder Castorf heute eher Auslaufmodelle sind. Gleichzeitig hat sich das Berufsbild der Intendanz verändert: Mehr und mehr sind neben künstlerischen auch Managementfähigkeiten gefragt und man kann nur hoffen, dass einer lntendanz auch eine fähige Verwaltungsführung zur Seite steht. Einem 'Nur-Künstler' dagegen auch noch Budget-Fragen ans Bein zu binden, kann böse schiefgehen. Dafür gibt es Beispiele aus der jüngsten Zeit. Im Zweifel leidet das Ensemble darunter.

 

VON TELEFONATEN UND HINTERZIMMERN  ...

Was hingegen bei der Intendanz-Berufung weiterhin viel zu wenig eine Rolle spielt, ist die soziale Kompetenz der Kandidaten. Dabei ist am Theater das Betriebsklima mitentscheidend für das Produktionsergebnis - im Wortsinne. Im Gespräch mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung sah GDBA-Präsident Jörg Löwer hier jüngst „reichlich Luft nach oben". Beispiel. ,,Ein toller Tänzer, der mit guten Choreographien Schlagzeilen macht, kann Ballettdirektor werden, ohne Ausbildung in Mitarbeiterführung". Gleichzeitig fördern die hierarchischen Strukturen am Theater selbstherrliches Verhalten. Dass „einer gewissen Willkür Tür und Tor geöffnet ist", davon kann die GDBA ein Lied singen: Bevor es eine tarifliche Regelung gab, wurden Verträge Schwangerer in der Vergangenheit öfter mal nicht verlängert; und bevor ein Intendant sexuelle Verfehlungen an seinem Haus zugibt, wird eher das Opfer hinauskomplimentiert als der vermeintliche Täter - so geschehen in Dresden.
Löwer: „Wer am Theater den Mund aufmacht, wird unter Umständen mit Beendigung seines Vertrages abgestraft." Andere Methoden sind subtiler. Plötzlich häuft sich die Kritik an einer darstellerischen Leistung, dann werden die Rollen kleiner. Problem dabei: Kunst ist auch eine individuelle Geschmacksfrage des Vorgesetzten, die sich nicht an Leistungsziffern festmachen lässt. Kreativität ist nicht messbar.

Immerhin: In früheren Jahren, so erinnert sich der langjährige Bühnenvereinsdirektor Rolf Bolwin, sei es eher üblich gewesen, vakante Intendanzen gerade nicht auszuschreiben, sondern auszukungeln: „Man telefonierte mit denen, die sich in der Szene auskennen, und mit denen, von denen man meinte, dass sie sich auskennen." Allerdings waren solche Hinterzimmerabsprachen nicht besonders transparent und, folgt man Bolwin, auch nicht immer besonders erfolgreich - auch wenn diese Praxis noch heute an manchem großen Theater zu beobachten ist. Allerdings wird dieses einsame Verfahren mehr und mehr von einer Vorgehensweise abgelöst, die auch der ehemalige Bühnenvereinsdirektor Bolwin empfiehlt: Durch die Einsetzung einer Findungskommission unabhängig von Größe und Bedeutung des Theaters. Politisch wichtige Gremien des Theaterträgers (Stadtrat, Kulturausschuss) und kompetente Theaterfachleute können so eingebunden werden. Personalseitig sollten Mitarbeitervertretungen oder auch Gewerkschaften in den Findungskommissionen vertreten sein.

Allerdings hat das im Laufe der Jahre veränderte Berufungsverfahren nicht immer zwangsläufig zu geeigneteren Kandidaten mit mehr Führungs- und Sozialkompetenz beigetragen.

Auch wenn der Vergleich Manager in der freien Wirtschaft versus Intendanzen nicht besonders tragfähig sein mag:

Letztere haben eben gleichfalls die Verantwortung für hunderte von Mitarbeitern und Millionen-Etats. Mithin schließt sich die Frage an, warum es eigentlich so wenige Weiter-/Ausbildungsmöglichkeiten für angehendes Theater-Leitungspersonal gibt?

 

… HIN ZU FUNDIERTER AUSBILDUNG

Eine Ausbildung zum Intendanten oder für andere Leitungspositionen am Theater gibt es nicht, allerdings bietet die Universität Zürich einen Weiterbildungs-Studien­gang zum Executive Master of Arts Administration (EMAA) an. Und an der Ludwig-Maximilians-Universität in München existiert eine einjährige Weiterbildung im Theater- und Musikmanagement. In Zürich soll kommendes Leitungspersonal fit gemacht werden für wachsende Herausforderungen bei der Führung von Kulturbetrieben: Die Verantwortlichen sollen auch mit dem steigenden Druck wirtschaftlicher Gegebenheiten, dem Spannungsfeld zwischen künstlerischer Planung, Bildungsauftrag und künstlerischer Authentizität zurechtkommen. Das muss erst recht in Zeiten gelten, in denen der politische Konsens schwindet, dass die öffentlichen Theater - häufig die teuerste Kultureinrichtung einer Stadt - auch angesichts leerer Kassen unantastbar bleiben müssen. Ohne das die Theaterleiter und Beschäftigte wechselseitig solidarisch sind, ist diese Aufgabe nicht zu leisten: Weshalb autoritäre Strukturen überholt sind. Oder, wie die Uni Zürich es ausdrückt: „Macht zeigt sich nicht im Brechen von Widerstand, sondern darin, ein Feld so zu beeinflussen, dass sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer und Elemente dieses Feldes von selbst in eine bestimmte Richtung bewegen. Die Fähigkeit, in sozialen Feldern Einfluss zu nehmen, setzt hohe soziale Kompetenz voraus."

 

GUTE PRODUKTIONEN NUR GEMEINSAM

Einer bestimmt die Kunst und alle anderen ordnen sich der Idee unter - so wollen heute viele den künstlerischen Entstehungsprozess nicht mehr verstanden wissen. Kooperation wird immer wichtiger: Wenn Künstlerinnen und Künstler im Team arbeiten, nehmen sie ihr Ego zurück und machen die Bühne für das Werk frei. Im Interesse der Sache bringt sich jede beteiligte Person mit ihren Fähigkeiten ein und trägt Verantwortung. Musiker, Sänger, Schauspieler und Tänzer müssen sich auf verschiedene Führungspersönlichkeiten einstellen können, denn jeder Dirigent, Re­gisseur und Choreograf bringt den eigenen Führungsstil mit. Künstlerische Leiter müssen ihre Vorstellung von der Interpretation eines Werkes vermitteln und ihre Truppe dafür begeistern. Künstler in Leitungsfunktionen bauen Vertrauen auf, indem sie an ihr Team glauben. Sie achten auf einen respektvollen Umgang, der künstlerische Konflikte zum Guten wendet. So begleiten sie die Beteiligten auf einem Weg mit ungeahnten Höhen und Tiefen und halten'. das Team in schöpferischer Balance.

Und nur so.

Jörg Rowohlt

Zitatende

Auszug aus dem Fachblatt der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger Nr. 6//7 2018
 

 



 



Fortsetzung von Seite 23, Heft Nr. 17 / Ausgabe 5 / 2018

Lohengrin
Die Quellen - Literarische und historische Grundlagen

PROSAENTWURF – Dritter Akt

Eine Einleitungs-Musik schildert den Pomp der Hochzeit; sie nimmt allmälig einen sanfteren Charakter an – der Vorhang geht auf: das Brautgemach, mit dem prachtvoll geschmückten Brautbett. Der Brautzug nähert sich, gelangt unter sanfter Musik u. unter dem Gesang eines Brautliedes [in] das Gemach: die Fürsten geleiten Lohengrin, der sie unter der Thüre dankend verabschiedet: - die Frauen geleiten Elsam, treten mit ihr ein; Jungfrauen treten vor und weihen unter heitren Feierlichkeiten das Brautgemach. Sie entkleiden Lohengrin u. Elsam der prachtvollen Obergewänder, sprechen den Segensgruß u. ziehen dann unter Absingung des Brautgesanges [aus] der Kammer, welche sie hinter sich schließen. Elsam sinkt überselig an Lohengrin’s Brust, wo sie lange so verweilt bis der Gesang in der Ferne verklingt. Lohengrin: (sich auf einem Ruhebett niederlassend u. Elsam sanft an sich ziehend,) - »die trauten Lieder verklingen! Elsam, du reines, geliebtes Weib, meine Braut, meine Gattin! Wir sind allein, zum ersten mal seit du mich sahst, seit ich dir Hülfe brachte in der Noth, flieht uns der Rausch der glänzenden Umgebung, zum erstenmal haben wir zu unsrem Zusammensein keinen Zeugen als Gott! Was dein Auge mir, was dir das meines sagte, laß mich dich fragen: bist du glücklich?« Elsam schildert ihm in entzückter Rührung das unaussprechliche Glück, ihr durch ihn zu Theil geworden; - wie sie vor Dank, vor gränzenloser Liebe vergehen möchte« pp. Lohengrin: »so ist das Wesen unserer Liebe: die nie zuvor wir uns gesehn, wir kannten uns, wir hatten uns geahnt; ich brauchte dich nur zu erblicken, um deine Engelsreine schnell zu begreifen u. den Besitz deiner Liebe hoch zu schätzen, dass ich das höchste Glück der Welt dir gern zu opfern mich gedrängt fühlte.« Elsam: »o nein! Ich kannte dich schon! Ein Traum [hat] dich mir gezeigt pp.; als du nun erschienst, in die Nacht meiner Noth so als ein lichter Engel tratest, da wußt’ ich, daß du mir von Gott gesandt, - da hätte ich vor Anbetung hinschmelzen können: bald war mir’s, als sollt’ ich als ein Bach zu deinen Füßen hinfließen, oder als eine Blume mich mit süßem Entzücken unter deinen Tritt beugen: oh, ist dies nur Liebe! Ach nein, mein Mund vermag’s nicht auszusprechen, dies Wort, so unaussprechbar mir, wie ach! Dein Name, den ich nie erfahren soll, bei dem ich nie dich rufen, mit dem ich nie den Inbegriff all meiner Wonne nennen soll!« - Lohengrin: »Elsam!« - Sieh, wie mein schlechter Name hold deinen Lippen entgleitet; darf ich den meinen, u. sei's auch nur für diese Stunden, wo wir der einsamen Liebe pflegen, nie deinem Namen anvertraun?« - »Süßes Weib« - »Gewiß versprech' ich, nie vor der Welt ihn zu nennen, den Namen, den ich zu wissen so begehre! « - Lohengrin (sie freundlich umfassend) »athmest du nicht die süßen Düfte, die durch die milde Nacht herauf sich drängen aus der Blumen Kelch? 0, wie hold berauscht er meine Sinne, seinem geheimnisvollen Zauber geb' ich mich hin, u. forsche nicht nach dem Namen noch der Gattung der Blume, die ihn mir entsendet; so ist der süße Zauber, den du über mich gegossen, als ich zuerst dir in das Auge blickte: ich frug nicht, woher der Zauber kam; der Zweifel, der gräßliche Verdacht, der dich umgab, was kümmerte er mich? Ich wußte, du seist rein, denn so wie mir [du] da erschienst, kann Unwerth u. Untreue dem Edlen nie erscheinen.« - Elsam: »Ach, wie gern möcht' ich deiner ganz werth dir erscheinen; - wie gern möcht' ich mich opfern, Unheil, Pein u. Sorge tragen, ja gelte es, mein Leben für dich [ zu ] lassen, um das hohe Vertrauen, das du in mich setztest, dir nur im mindesten erwidern zu können! So groß ist meine Liebe, daß ich fürchte zu vergehen, wenn ich in deiner höchsten Tugend so wenig dir gleich kommen dürfte. Dürfte ich annehmen, daß, wie mich Verdacht u. schwere Klage befleckten, irgend ein Geheimniß dich umgebe, das dir Gefahr bringe, würde es der Welt offenkundig: ha, so möcht' ich nimmer rasten bis ich dies Geheimniß erführe: vielleicht ist das Geheimnis deines Namens, deiner Abkunft so beschaffen, ja, ich ahne, daß es so sein muß - ich ahne, daß es ein Geheimnis ist, das aller Welt verborgen bleiben muß, das den Fragen, den Drohungen der Gewaltigsten dieser Erde unverrathen bleiben muß: oh, wie stolz würdest du mich machen, wolltest du es mir anvertrauen! Dann würdest du mich in den Stand setzen, durch meine Verschwiegenheit dir meine Kraft zu bewähren.« - »Geliebte! « - » Keine Macht der Erde, kein Schrecken, keine Qual sollte mir den Verrath deines Vertrauen's entlocken: zu wissen, daß dein Schicksal in meinen Händen ruhe, daß ich der Engel sein dürfte, der bis in den Tod dich treu behüte, ach! das würde mich hoch erheben, u. in diesem Bewußtsein erst würde ich mich deiner werth halten können!« - »0 schweige!« - »Laß mich es wissen, dein Geheimnis, deine Abkunft, wer du bist!« - »0 Elsam!« - »Laß länger mich nicht so unwerth deines Vertrauen's erscheinen! « - Lohengrin ernst: »mein höchstes Vertrauen schenkte ich dir. als ich deinem Versprechen, nicht nach mir forschen zu wollen, vertraute! Rechtfertige dies, so dünkst du mich so hoch u. ehrenhaft, daß ich kein Weib der weiten Erde dir zur Seite stellen mag.« (Beruhigend u. sie sanft an sich ziehend): »An meine Brust. Du süßes Weib, gönne mir den Reiz, dein Athmen einzusaugen, dich fest an mich zu drücken, in deinem Besitze selig mich zu wissen: laß mich die Wonne deiner Liebe in reinster Ungetrübtheit genießen, denn glaube mir, sie muß mich hoch entschädigen: für dich verließ ich, was mir aller Glanz, alle Pracht der Erde, der Reichthum aller Welt zu ersetzen nicht vermag; sieh, böt‘ mir der Kaiser seine Krone, das Zeichen höchster Macht auf Erden, ich schlüg' sie aus, denn wisse: eines nur giebt's, das mich entschädigen kann, eines nur: 0 Elsam, deine Liebe! Dies wisse, u. erhalte mir diese Liebe stets rein und ungetrübt: nie aber mög' es dich bekümmern, was ich dir verschweigen muß, denn nicht aus Nacht u. Trübsal komm' ich her, nein, hinter mir ließ ich des reinsten Glückes Tagesschein!« - Elsam: » Weh mir, was lässest du mich da vernehmen! Mit Wehmuth u. Bedauern blickest du dahin zurück, woher du kamst um meinetwillen! Aus höchsten Glücks Umfangen hast du um mich Unwürd'ge dich gerissen! Mein Herz erbebt in ahnungsvollen Schauern, die Größe des Opfer's zu ermessen, das du mir gebracht.« - »Kein Opfer, dem der Gewinn deiner Liebe nicht gleiche!« - »0 Grausamer! Wie quälst du mein armes Herz! Wie kann ich Unwerthe mich so hoch schätzen, wie kann ich so verwegen sein zu glauben, meine armselige Liebe, wenn du auch jetzt mitleidsvoll sie preisest, könne dir je das ersetzen, was dir höher als alle Ehre der Welt dünkt, und was du mir geopfert!« - »Halt ein, dich so zu quälen!« - »0, wie gar bald werd' ich dir nicht mehr genügen können, wie bald wirst du zurückblicken nach der sel'gen Heimath, der ich dich entrissen! Ach, du bist höherer Art als ich, dir stehen Zauber, Wunder zu Gebote - wie soll ich Ohnmächtige dich halten! Ich sehe es, ha! welch gräßliches Gesicht! Eines Morgen's - ich erwache - ich finde dich nicht - ich suche dich - da - in weiter Ferne seh' ich dich - der Schwan zieht dich im Nachen fort« - »Elsam, halt ein! Beruhige dich!« - » Nichts, nichts kann mich beruhigen, nichts als Eines nur! Unselig holder Mann, Engel, Abgott meines Leben's, ich muß es wissen, wer du bist« - »Elsam!« »Dein Name« - »Deine Heimath!« »Elsam!« - In diesem Augenblicke sieht Elsam hinter Lohengrin sich eine Thüre öffnen u. Friedrich mit 4 Männer[n] hereinstürzen: sie schreit mit fürchterlicher Angst: »Ha! Zurück! Wehre dich!« Die Männer überfallen Lohengrin, dieser hat schnell sein abgelegtes Schwert ergriffen, - Elsam wirft sich vor Lohengrin's Leib, dieser streckt Friedrich mit einem Schlage todt zur Erde - die 4 Männer stürzen entsetzt Lohengrin zu Füßen, - Elsam sinkt langsam an Lohengrin zu Boden, - er allein steht aufgerichtet: es entsteht eine lange athemlose Stille. Dann Lohengrin, tief erschüttert: »Weh! Weh! Nun ist all unser Glück dahin!« Er neigt sich mit tiefem Schmerz zu Elsam u. richtet sie auf; Elsam, die Augen aufschlagend: »Allewiger, erbarm dich mein!« Er senkt sie sanft auf das Ruhebett nieder, - auf seinen Wink erheben sich die 4 Männer, und entfernen auf sein Geheiß den Leichnam Friedrich's, den sie, wie er ihnen befiehlt, zum Gericht vor dem Kaiser bringen sollen. Er läutet an einem Glockenzuge, der beim Brautbett angebracht ist; Edle treten ein: er giebt ihnen den Auftrag, den Kaiser zu ersuchen, im Gestühle zu erscheinen um Gericht zu halten. Einigen Frauen, die von der andren Seite auftreten, befiehlt er Elsam zu unterstützen u. sie vor des Kaiser's Gericht zu geleiten. »Dort, Elsam, sollst du und alle Welt erfahren, wer ich bin! « Er entfernt sich mit feierlicher Traurigkeit. Elsam: ich Unglückselige, was hab' ich zu erfahren! « Die Frauen geleiten sie ab. - Verwandelung: das Gestühl am Ufer der Schelde, wie im ersten Act. Trompeter rufen das Volk zusammen; Heerrufer verkünden den bevorstehenden Abzug der waffenfähigen Männer gegen die Hunnen; zuvor jedoch wolle der Fremde Ritter aller Welt entdecken wer er sei, seine Abkunft u. woher er kommt. pp. Verwunderung u. Neugier des Volkes. Die brabantischen Edlen ziehen in kriegerischer Rüstung ein, mit Reißigen pp. Endlich erscheint der Kaiser mit den deutschen Fürsten pp., alle in kriegerischem Waffenschmucke. Er ist verwundert über die Botschaft, die ihm Lohengrin zugesendet: - da wird von den 4 Männern, Priester voran, Friedrich 's Leichnam auf einer Bahre gebracht; - unheimliche Ahnungen verdüstern die Menge: was hat das zu bedeuten: Elsam, von ihren Frauen geleitet, tritt auf, blaß, schwankenden Schrittes, in größter, peinlichster Bangigkeit - sie nimmt einen Thronsitz dem Kaiser gegenüber ein. Sogleich darauf erscheint Lohengrin, ganz so gewaffnet wie im ersten Act, tritt er mit feierlicher Haltung auf. Der Kaiser, - erfreut, die Blüthe Brabant's zum Schutze der deutschen Länder in Waffenrüstung zu sehen, spricht seine Verwunderung über Lohengrin's Vorhaben aus: - »Du ließest mir künden, du wolltest vor uns allen die Frage beantworten, die ein verworfenes Paar gestern dir drohend entgegenwarf; doch muß ich annehmen, daß du dies nur ungern thust, deshalb bitte ich dich, es zu unterlassen: wir alle sind so innig von deinem Werthe, deinem Adel überzeugt, daß wo[h]l keiner von uns je dich mit ungeziemender Frage drängen möchte.« - Lohengrin: Mein Herr u. Kaiser, wenn ihr alle so hoch mich ehrt,  ihr unbedingt in meine Art u. meinen Adel Vertrauen setzt, so giebt es ein Wesen doch in diesem Kreise, die dies hohe Vertrauen nicht mit euch theilt: - dies ist ein Weib, dem ich mein Glück, mein Leben weihte, ein Weib, das ich mit reinster Seele liebe: Elsam, die vor Gott mir gestern angetraut!« - Große Betroffenheit Aller: tiefe Beschämung Elsam's pp. Lohengrin: »Ihr hörtet Alle, wie ich sie bat u. wie sie mir gelobte, nach meinem Namen, nach meiner Abkunft nie in mich dringen zu wollen. pp. Nun höret jetzt, wie sie nicht vermocht dies Gebot zu erfüllen: bethört von dem Rathe des unseligsten Mannes, von den Verlockungen des schändlichsten Weibes, hat sie ihr Gelübde gebrochen: ihr seht ihn hier, den ich erschlug, als diese Nacht er mich tückisch überfiel; zum Todengerichte stell' ich ihn aus; urtheilt, ob er den Tod verdient.« Allgemeiner Ausspruch der Verdammung über Friedrich. Lohengrin: »Und dennoch wisset, daß der, den ihr jetzt verdammet, nicht schuldvoller ist als Elsam selbst: denn auch er, wie ihr bald ersehen sollt, war betrogen u. verlockt.« - Elsam: in größter Pein: »0 Herr , schone mich! Nichts wußt' ich von seiner scheuslichen That! « -Lohengrin: »Fern sei's von mir, dich solcher Unthat anzuklagen! Das schlimmste ja muß nun geschehn: ich muß dir Antwort geben auf dein wildes Fragen! Sieh nun, wie wenig ich den Tag zu scheuen habe: vor aller Welt, vor Gott, Kaiser u. Reich enthüll' ich das Geheimnis nun. - Wisset denn: fern von hier, in weiten Landen liegt ein wild unnahbares Gebirge; in dessen Mitte, dreißig Rasten wohl nach allen Seiten hin von Wald u. Wildniß umgeben, liegt hoch auf einem Berg eine Burg, die wird Montsalwage genannt. Dort ist ein Tempel von solcher Pracht u. Reichthum, wie keiner je auf Erden noch Gott geweiht wurde: in diesem Tempel wird ein Heiligthum verwahrt, das eine Schaar von Engeln einst auf die Erde trug um es zum Heil der Welt der Pflege der reinsten der Menschen zu übergeben. Es wird der Gral genannt, u. ein Gefäß ist's, das alle Wunder der Göttlichkeit unsres Erlöser's in sich schließt: die reinsten u. geläutertsten der Menschen dürfen nur sein pflegen, zu seiner Nähe gelangt niemand, den es nicht selbst durch ein verkündendes Zeichen zu sich beruft: wer ihm nun zu dienen ist erkohren, den erhält seine göttliche Wunderkraft rein von aller Todsünde, es giebt ihm übermenschliche Gaben und Kräfte, die Lehre des Heiland's zu verbreiten u. überall in hoher Reinheit zu erhalten: nicht braucht der Templeise sich zu mühen, was ihn erhalten oder ernähren möge, der Gral sorgt sein durch reiche Fülle an allem, was der Irdische bedarf, u. wer seiner ansichtig bleibt, drück' ihn auch Alter u. Gebrechen noch so sehr , dem kann der Tod nicht nahn u. jedes Uebel muß ihn fliehn.

Doch darf auch, wer seinem Dienste geweiht ist, nie der Weibesliebe pflegen dem Könige der Templer Schaar allein ist ein reines Weib erlaubt, damit sein erhabenes Geschlecht sich ewig ungemischt fortpflanze. Sendet nun der Gral seine Streiter aus, dem bedrängten Glauben beizustehen, herrenloser Länder zu pflegen, oder Waisen u. hülfsbedürftige Frauen zu schützen, so darf der entsendete Ritter nirgends seine hehre Abkunft nennen noch das hohe Geheimnis, durch welches er übermenschliche Gaben u. Kräfte erhält, preisgeben: wird er genöthigt sich zu entdecken, so darf er länger dort nicht verweilen, sondern er muß zum Gral wieder heimkehren: denn nur durch den unbedingtesten Glauben an ihn wird ihm die höhere Eigenschaft ungetrübt erhalten. - Nun wisset denn, mein Vater heißet Parzival; durch höchste Rittertugend u. durch Bekämpfung des irdischen Zweifel's, der am göttlichen verzagt, ward er würdig zum König des Gral's berufen zu werden; ich heiße Lohengrin, und bin ein Ritter des Gral's.« pp. Nun  vernehmet auch, wie ich hiehergekommen. ein klagendes Tönen drang durch die Lüfte, durch des Tempels Heiligthum, das zeigte den Templeisen an, daß eine reine Magd in weiter Ferne sich in großer Bedrängnis fand: als wir den Gral zu fragen gingen, wohin ein Ritter ziehen solle um für die Unschuld zu kämpfen, siehe, da erblickten wir einen Schwan, der auf dem Fluß geschwommen kam; an einer goldnen Kette zog er einen leeren Nachen heran. Da verkündete mein Vater Parzival, nachdem er des Grales Spruch erforscht, daß der Schwan, der ein verzaubert Wesen in sich schließe, dem Gral ein Jahr lang dienen solle, u. zunächst mich, den erkornen Kämpfer, dahin führen werde, wo ich der Unschuld Hülfe zu bringen habe. Da nahm ich Abschied, nachdem ich des Grales Segen empfangen, stieg in den Nachen u. ward von dem getreuen Schwan durch Flüsse u. Meer hieher gezogen, wo ihr mich alle landen saht.« - Allgemeine große Rührung. Elsam, wie vernichtet: »Was schwankt der Boden zu meinen Füßen? Was verfinstert sich der Himmel? 0 diese Nacht! Luft! Luft der Unglücksel'gen!« - Sie droht umzusinken. Lohengrin fängt sie in seinen Armen auf; (mit großer Ergriffenheit): » Elsam! Elsam, was hast du mir gethan! Als ich dich sah, fühlt' ich mein Herz erbeben von einer Gluth, die ich noch nie gefühlt: dies schien die höchste Wonne meines himmlischen Berufs, durch heil'ge Kraft gestärkt, des erhebensten Bewußtsein's voll, dir, deinem reinen Herz all die hohen Gaben zu weihen, die mir mein Geheimnis bewahrte. 0, was mußtest du dies Geheimnis zerreißen!« - Elsam: »Mein Gatte, mein Erlöser! Sieh mich vergehen in meiner großen Schuld! Da du so göttlich bist, so übe auch die göttlichste Tugend, Gnade, Verzeihung der Sünderin, die nur aus Liebe fehlte!« -Lohengr. »0, ich verzeihe dir! Wie sollt' ich nicht dein Herz, deine hohe, reine Tugend erkennen! Doch jammernd muß ich, ach! der ganzen Menschheit Loos erkennen, wenn selbst in diesem reinsten, liebevollsten Herzen der Zweifel siegen mußte; - Unglückliche, so kann euch Gott nur verzeihen, nie aber euch beglücken! - 0 höret an! Hätt' ich bei euch verweilen dürfen, mit solchem Segen hätt' ich dieses Land geschmückt, daß ihr das Himmelreich zu euch herabgekommen hättet wähnen soll[en): eure Fluren wollte ich mit reichen Früchten schmücken, euer Volk in Liebe u. Eintracht groß erziehen, euren Herzen den himmlischsten Frieden geben: dies war der Zauber, den ich über euch ausgießen wollte u. dies zu bewirken vermocht' ich durch die Wunderkraft des Grales! Doch ach! ihr sollt solchem Glück noch fern bleiben, der rohe Kampf der Habgier um gemeinen Besitz, um ohnmächtige Gewalt - dies Ringen um ein Nichts soll lange noch eure schönsten Kräfte verzehren, denn, wehe! das reinste Herz, das keuscheste Gemüthe, das euren Geschlechtern entkeimen konnte, es jagt durch unsteten Zweifel mich von hinnen!« - Alle erheben Klage u. beschwören Lohengrin. Elsam: »Mein Gatte! Ich lass' dich nicht von hinnen: strafe mich, oh! deine Streiche sollen mir Liebkosungen sein! Doch ach! wie nennst du das Verzeihen, wenn du der Begnadigten den Tod der Trennung auferlegen willst?« -Lohengr: »Ich muß! Ich muß! Nun darf ich nicht mehr verweilen! Mein süßes, reines Weib, ich muß, ich muß dich fliehen! « - Elsam hängt sich an ihn, sie will vergehen! - Umsonst! »Weh mir! Traf mich durch Haß einst Schmach u. Noth, durch Liebe find' ich nun den Tod!« - Der Kaiser, Alle suchen Lohengrin zu bewegen zu bleiben: Vergebens! Wie gern hätte er die Streiter Brabant's geführt, - jetzt müsse er sie allein, führerlos dem Kaiser übergeben! »Doch sei getrost, großer Kaiser, deiner hohen, reinen Kraft ist Sieg verliehen! Gott will nimmermehr, daß des Osten's knechtische Horden in deutschen Landen herrschen! Lebt wohl! Des Grales Segen begleitet euch!« - Der Schwan naht durch die Ferne mit dem leeren Nachen dem Lande: der Ruf verbreitet sich: - » Der Schwan, der Schwan! Dort kehrt er wieder!« -Lohengrin: »Schon sendet der Gral nach mir aus!« - Elsam »Entsetzlich! Der Schwan!« -Lohengrin: (den Schwan mit Wehmuth betrachtend): »0, lieber Schwan! Wie gerne hätte ich dir diese letzte traurige Fahrt erspart! Ich hoffte, du solltest mich anders wiedersehn, - wenn deine Dienstzeit abgelaufen u. durch des Grales Macht du aus deinen Banden erlöst! - O Elsam! Nur ein Jahr! Hättest du nur ein Jahr dich zweifellos bewährt, dein Glück wäre übergroß gewesen; - den du Tod wähnst, um dessen vermeinten Tod willen du so hart beklagt warst, dein Bruder, in einem Jahr wär' er dir u. Brabant als ein herrlicher Jüngling zurückgekehrt! Nun werd' ich nicht mehr Zeuge eures Glückes sein; kehrt dein Bruder zurück, bin ich in weiter, weiter Ferne! Doch sollst du ihm dies Horn, dies Schwert u. dieses Ringlein geben: in höchster Gefahr wird ihn dies Horn bewahren, dies Schwert ihm Sieg verleihn, - bei diesem Ringe aber, bin' ich, soll er mein gedenken, der einst dich von Schmach u. Noth befreite. Elsam! Mein süßes Weib! Leb wohl! leb wohl! (er küßt sie wiederholt.) Leb' wohl, ich darf nicht länger bleiben! « - Elsam hat sich krampfhaft, unter vielen Wehrufen an ihm festgehalten, endlich verläßt sie die Kraft, sie sinkt ihren Frauen in die Arme. Als Lohengrin, unter lautem Wehklagen Aller, am Ufer anlangt, stürzt Ortrude auf die Bühne u. ruft mit wildem Jubel Elsam zu: »Sieg! Sieg! Ersehnte Stunde. Dies Land ist mein, u. meine Götter sind gerochen. Dank dir, Elsam, daß du so willig dem Zweifel wichest, den ich in dein Herz gelegt, - nur durch dich konnt' ich ihn vertreiben, der einzig mein Werk vernichten konnte! Sich dort den stolzen Ritter, - weißt du, wer ihn zur Hülfe dir hergeholt! Dein Bruder, der unschuld'ge Knabe ist's, der einst zu nahe in mein Bereich kam; er, der einzige Sproß des Geschlechtes, das mein[en] Ahnen dieses Landes Herrschaft nahm. Euch beide wollte ich verderben, doch konnte dich meine Zauberkraft nicht erreichen, doch er, der sich von dir verlor, mußte ihr verfallen: ein gold'nes Kettlein hing ich ihm um, da ward der süße Knabe zum wilden Schwan, hin zog er auf der Waldfluth! Sieh, du konntest ihn durch jenen fremden Ritter erlösen, - nun kannst du es nicht mehr; in seine ferne, weite Heimath muß er ihn nun ziehen!« - » Entsetzlich! Scheuslich! « - » Lernt so, Verwegne, wie sich die Götter rächen, von denen ihr euch höhnend abgewandt!« - Lohengrin kniet dicht am Ufer nieder: » Ein Zeichen gieb mir, allewiger Gott, daß sich das freche Laster nicht jubelnd darf erheben, dein zu spotten! Ein Zeichen der Versöhnung laß mich von dir erlangen, das ich als Balsam auf die Wunde lege, die des Zweifels Sünde hier dem reinsten Herzen schlug! Herr, mein Gott, erhöre mich, wenn ich in Demuth« seine Stimme senkt sich hier zu immer leiserem Flüstern, das niemand mehr vernehmbar ist - er betet stumm weiter: - große Gespanntheit.

Man vernimmt einen zarten Gesang, wie von der Stimme des Schwanes gesungen: »Leb wohl, du wilde Wasserfluth, die mich So weit getragen hat; leb' wohl, du Welle blank u. rein, durch die mein weiß Gefieder glitt: - am Ufer harrt mein Schwesterlein, das soll von mir getröstet sein!« (3) Eine weiße Taube schwebt plötzlich über dem Nachen. Lohengrin dankt mit einem inbrünstigen Blicke gen Himmel u. löst dem Schwan die Kette, worauf dieser sogleich untertaucht u. als ein schöner Jüngling (Gottfried) von Lohengrin auf das Ufer gehoben wird.

Die Taube faßt die Kette u. zieht an ihr den Nachen von dannen. Elsam blickt mit letzter Verklärung freudig auf, Gottfried tritt vor u. neigt sich vor dem Kaiser. - Ortrude ist mit dem Augenblicke der Entzauberung Gottfried‘s laut kreischend todt zusammengestürzt. - Als Alle in höchstem Staunen auf Gottfried geblickt haben, - blickt Elsam nach dem Fluß: »Lohengrin! Mein Gatte!« In der Ferne wird Lohengrin, im Nachen von der Taube gezogen wieder sichtbar: - Alles bricht in einen jähen Klageruf aus, Elsam sinkt in Gottfried's Armen entseelt zu Boden.

Ende

Marienbad, 3. August 1845

Richard Wagner

 

Es ist kaum nachvollziehen, dass es möglich war, zwischen dem 11. Juli und dem 3. August 1845 die Prosafassung für den Lohengrin neben der Prosafassung für die Meistersinger zu erstellen und die Text-Dichtung des Lohengrin bis zum 17. November 1845 abzuschließen.

Betrachtet man die Entstehung der Prosaskizze quasi als ein Nebenprodukt des Sommeraufenthaltes in Marienbad, so ist zu berücksichtigen in welch kurzer Zeit der fast endgültige Text - hier an einem Beispiel aus dem dritten Akt - entstand.

 

Prosafassung                                                       Text-Dichtung

 

.. athmest du nicht die süßen Düfte, die durch die milde Nacht herauf sich drängen aus der Blumen Kelch?

o, wie hold berauscht er meine Sinne,

seinem geheimnisvollen Zauber geb’ ich mich hin ...

 

oder

Weh! Weh! Nun ist all unser Glück dahin!

 

oder Elsas Ausruf daraufhin:

Allewiger, erbarm dich mein!

 

... atmest du nicht mit mir die süßen Düfte?



O wie so hold berauschen sie den Sinn!

Geheimnisvoll sie nahen durch die Lüfte

fraglos geb ihrem Zauber ich mich hin.


Weh! Nun ist all unser Glück dahin!

 

 

Allewiger, erbarm dich mein!

 

 

Während in der Text-Dichtung Lohengrin nur von Elsas Vergehn, entgegen dem Gebot die Frage doch an ihn gerichtet zu haben, wer er sei und woher er komme:

 

Ihr hörtet alle, wie sie mir versprochen,

daß nie sie wollt’ erfragen, wer ich bin ?

Nun hat sie ihren teuren Schwur gebrochen,

treulosen Rat gab sie ihr Herz dahin!

 

wird in der Prosafassung die Schuld Ortruds und Telramunds deutlich gemacht ‘... betört von dem Rate des unseligsten Mannes, von den Verlockungen des schändlichsten Weibes, hat sie ihr Gelübde gebrochen ...’ und gleich darauf wird Telramund von Lohengrin in Schutz genommen, denn ‘Und doch wisset, dass der, den ihr jetzt verdammet, nicht schuldvolle ist als Elsam selbst: denn auch er, wie ihr bald ersehen sollt, war betrogen und verlockt.’

Diese Aufklärung, warum Elsa und Telramund weniger schuldig sind als Ortrud oder ein anderer, wird in der Prosafassung nicht gegeben und die Text-Dichtung geht über diese Aussage gänzlich hinweg.

Die sogenannte ’Gralserzählung’ ist in der Prosafassung sehr viel umfangreicher und gibt Informationen, die dann nicht in die Text-Dichtung aufgenommen wurden. Der Gral “ ... ein Gefäß ist’s, das alle Wunder der Göttlichkeit unsres Erlösers in sich schließt: die reinsten u. geläutertsten der Menschen dürfen nur sein pflegen ... [...] ... ‘sorgt sein durch reiche Fülle an allem, was der Irdische bedarf, u. wer seiner ansichtig bleibt, drück’ ihn auch Alter u. Gebrechen noch so sehr, dem kann der Tod nicht nahn u. jedes Uebel muß ihn fliehn.“ Hier werden Aussagen getroffen, die in ihrer Deutlichkeit auch nicht in das Spätwerk ‘Parsifal’ übernommen werden.

Richard Wagner war nicht nur durch die Lektüre über das Mittelalter stark mit Glaubensfragen in Berührung gekommen. Seine ganze Erziehung spielte sich sehr im Schatten der Kirche ab, die ihren Einfluss durch die eigne Familie oder den Aufenthalt als junger Mensch in einer Pastorenfamilie sich prägend ausgewirkt hatte.

Nimmt man vor allem seine Briefe, auch die an seine Frau Minna, so treten immer wieder Aussprüche zu Tage, die offensichtlich einen starken christlichen Glauben dokumentieren.
 

“ [...] - komm zu mir, grüße Weib u. Kind, fürchte Vater u. Mutter, und Gott gebe mir seinen Segen [...]”

(Magdeburg, 15. September 1834)

 

“ [...] Bewahre uns Deine Treue u. Liebe, u. wir wollen Dir wie einem Heiland danken u. unsre besten Gefühle opfern! - [...]”

(Magdeburg, 20. September 1835)

 

“ [...] - so etwas muß man vollends zusammen besprechen. Wir meinen es ja gut, warum soll uns denn Gott verlassen? - [...]”

(Magdeburg, 12. November 1835)

 

“ [...] Adieu, - Gott sei mit Dir, mein liebes Weib. [...]”

(Berlin, 20. Juni 1837)

 

“ [...] sie hat ihr Wort schon gelöst! Gott segne Euch u. gebe Euch eine glückliche Reise! [...]

“ [...] auch könnt Ihr eine Nacht in seinem Hause ausruhen u. schlafen. Das wird Euch auch wohl thun. Befolgt dies also ja genau. - Mit Gott, euer Richard.”

Riga, 9. September 1837

 

“ [...] Nun mein alter treuer Freund, - ich habe Probe, - nimm mit diesem Kurzen vorlieb, zu was einen Langen? Behüte Dich Gott, sei mir nicht böse, u. gedenke freundlich Deines Richard W.”

(Riga, 17. September 1837)

 

“ [...] ob es die Möglichkeit sei, binnen 50 Jahren, so Gott mir das Leben schenkt, ihn auf die Berliner große Oper zu bringen. [...]”

(Riga, 12. November 1838)

 

“ [...] Die schreckliche Nachricht von dem elenden Tode des armen Herzogs von Orleans hast du wohl erfahren! Ist das nicht fürchterlich - ich habe um ihn mich der Thronen nicht enthalten können! - Gott gebe uns ein besseres Ende! [...]”

“ [...] Jetzt packe ich es ein und schicke es sogleich durch die Leipziger Handlung ab. - Nun, Gott gebe, daß Ihr alle recht wohl seit: [...]”

(Dresden 25. Juli 1842)

 

“[...] Wie steht es mit Anders? Gott mit Dir, schlechter Kerl! [...]”

(Dresden 26. Februar 1843)

 

“ [...] Wenn du ganz bei mir wärest!

Gott behüte Dich! Leb wohl! Leb wohl! Sei gesund und heiter! [...]“

(Dresden 02. Juni 1843)

 

“ [...] so würden Sie mich durch eine baldige günstige Nachricht recht sehr freuen. Gott erhalte Sie und beschere Ihnen recht bald einen famosen Operntext! [...]“

 

“ [...] Im Januar war ich in Berlin u. dirigierte den Holländer. Das weißt Du wohl? - Gott behüte Dich u. die Deinen. [...]”

(Dresden, Februar 1844)

 

“ [...] Also mein innigst verehrter Meister, auf das Glück, Sie bald Auge in Auge begrüßen zu können!

Bis dahin möge Gott Sie wohl und gesund erhalten, damit Sie in unserem reizenden Dresden recht rüstig und wohlgemuht einem schönen Triumphe entgegensehen können! [...]“

(Dresden 4. März 1845)

 

“ [...] Er soll sehr willkommen sein! Ach Gott, wenn ein Regisseur krank ist, hat ein Kapellmeister doch schreckliche Sorgen! Gott der Allmächtige erhalte Sie! [...]“

(Dresden im Dezember 1845)

(Wagner, Richard, Sämtliche Briefe, Leipzig 1970)

 

Diese Aussprüche liegen vor und noch im Bereich der Entstehung des Lohengrin. Sie sind sicher nicht nur Floskeln am Ende eines Briefes, sondern dokumentieren eine ganz bestimmte Einstellung.
 

Mit der Bekanntschaft zu Feuerbach, von dem nach eigenen Aussagen “ [...] bis Aug. 1849 [...] lediglich die ‘Gedanken über Tod und Unsterblichkeit’ zu Gesicht bekommen” haben will, wobei “ [...] schon Rudolf Louis in seinem Werk ‘Die Weltanschauung Richard Wagners (Leipzig 1898) darauf hingewiesen [.habe ] “dass sich W. mit seiner Bemerkung auf die Gesamtausgabe bezogen und durchaus frühere Einzelausgaben gekannt habe.” verlieren sich diese Aussagen, was unbewiesen mit dem philosophischen Gedanken Feuerbachs in Verbindung gebracht werden kann.

(Bauer, Hans-Joachim, Richard Wagner Lexikon, Bergisch-Gladbach, 1988)

 

In RW’s Werken einschließlich dem Lohengrin spielt der christliche Glaube eine Rolle, der auch in den Texten deutlich wird.

Rienzi:

“Allmächt’ger Vater blick herab!

Hör mich im Staube zu dir flehn.

[ ...]

O Gott, vernichte nicht das Werk,

das dir zum Preis errichtet steht!

Ach, löse Herr die tiefe Nacht,

die noch der Menschen Seele deckt!

[ ... ]

Holländer:

“Doch kann dem bleichen Manne Erlösung einstens noch werden,

fänd er ein Weib, das bis in den Tod getreu ihm auf Erden! -

Ach! wann wirst du, bleicher Seemann, sie finden?

Betet zum Himmel, daß bald

ein Weib Treue ihm hat!”

 

Tannhäuser:

“Mein Heil! Mein Heil ruht in Maria!”

 

“Allmächt’ger, dir sein Preis!

Groß sind die Wunder deiner Gnade!”

 

(Wird fortgesetzt)

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heerrufer.de



 



Die Frauenrollen in der neapolitanischen Oper

Stimmfach und Charakter - Die Theaterform Oper

Die neapolitanische Oper

3.2.2. Die Librettisten
Fortsetzung aus Heft 17 / Ausgabe 5 / 2018 – Seite 30

Unter Libretto versteht man den zur Komposition bestimmten Text, dessen Inhalt und Form entscheidend durch die Rücksicht auf diese Bestimmung geprägt werden, im engeren Sinne einen Operntext, im weiteren den Text einer jeden größeren dialogischen Komposition, gleichgültig, ob sie für eine szenische Wiedergabe gedacht ist oder nicht (Kantate, Oratorium); auch Szenarien von Balletten und Pantomimen werden in Analogie zu den Opertexten als Libretti bezeichnet. Der Name (libretto = Büchlein (ital.)) rührt von dem in Italien seit dem 17. Jahrhundert geübten Brauch her, die Operntexte als handliche 'Büchlein' zu drucken und am Eingang des Theaters zum Mitlesen während der Aufführung an das Publikum zu verkaufen.
Um die Mitte des 18. Jahrhunderts gab es in Italien rund 100 Opernhäuser. Selbst kleine Provinzstädte suchten es den größeren gleichzutun. In dem Jahrhundert seit ihrer Entstehung hatte sich die Oper aus einem als Einheit konzipierten musikalischen Schauspiel zu einem Konglomerat ernster und lustiger Szenen, tragischer und komischer Personen, Haupt- und Nebenhandlungen gewandelt.

Am Ende des 17. Jahrhunderts glich sie mehr einer Revue als einem Drama. In jeder Szene musste etwas Spannendes geschehen; Bären, Trojanische Pferde, oder Meeresungeheuer spielten dabei tragende Rollen, Männer stifteten als Frauen verkleidet (oder umgekehrt) Verwirrung. Die Fabel wurde von den Begebenheiten, die nach im­mer gleichem Schema abzulaufen hatten, in solchem Maße überlagert, dass es kaum eine Rolle spielte, ob der Held Caesar hieß oder Ibrahim. Um die Jahrhundertwende hatte sich angesichts dieses dramaturgischen Tohuwabohus erstmals Kritik geregt.

Verschiedene Librettisten, unter ihnen Apostolo Zeno, bemühten sich um eine 'Reinigung' der Libretti von allzu großer Drastik, um eine Vereinheitlichung der Hand­lung nach dem Vorbild der klassizistisch-französischen Tragödien.

J.A. Scheibe bemerkt 1745 in seinem 'Critischen Musicus' ein Libretto müsse:

„In allen Stücken die Regeln beweisen, die in den gesprochenen Trauerspielen oder Lustspielen beobachtet werden", aber er fordert darüber hinaus für den Operndichter

"eine starke Einsicht in die Musik, damit er sich nach gewissen, in der Musik unent­behrlichen Abtheilungen richten"
könne.

Einen sehr anschaulichen Zugang zu den Missständen der reformbedürftigen italienischen Opernverhältnisse bietet die 1721 anonym erschienene Satire von Benedetto Marcello (1686 - 1739) eines venezianischen Komponisten, mit dem Titel 'Teatro alla Moda'.

Die Abhängigkeit des Librettisten von den szenischen Wünschen und Gegebenheiten führt er uns in folgenden Sätzen vor Augen: "Bevor der moderne Operndichter sich ans Werk macht, verlange er vom Theaterdirektor eine genaue Liste der Anzahl und Beschaffenheit der Scenenbilder, die der Direktor wünscht. Diese Dekorationen bringt er allesamt in seinem Drama unter. Dabei muss er achthaben, ob darin Ausstattungszenen, wie Opferungen, Prunkmähler, Himmelserscheinungen oder andere Schauspiele vorkommen. Dann heißt es nämlich, mit den Maschinisten sich ins Einvernehmen setzen und erkunden, mit wieviel Dialogen, Monologen und Arien er die vorausgehenden Szenen in die Länge strecken müsse, damit sie alles mit Bequemlichkeit vorbereiten können. Dass dabei das Drama aus allen Fugen fährt und das Publikum sich ohne Not zu Tode langweilt, macht nichts.

Zwischen den Literaten und der Oper bestand und besteht eine Beziehung tiefen Misstrauens, das einer Konzeption entspringt, welche die Musik in den Bereich der Irrationalität verbannt. Der italienische Schriftsteller lebte aber in einer von Musik durchdrungenen Welt zwischen immer zahlreicher werdenden Opernhäusern in selbstbewussten Städten und bei musikbesessenen Aristokraten. Ein großer Sieg über die ausufernden musikalischen Veranstaltungen war die Entstehung einer neuen Art von Librettoliteratur, die später von der Theatergeschichte als 'Riforma' gewürdigt wurde.
 

Als ihr Architekt gilt Apostolo Zeno, geb. 1668 in Venedig, gest. 1750 in Venedig.

Er stammte aus einer alten venezianischen Familie, sein Vater war Doktor der Medizin und schon früh widmete er sich literarischen Studien. Er trat mit Gelegenheitsgedichten hervor und gründete 1681 die 'Accademia degli Animos!', deren Anschluss an die römische 'Arcadia' er 1698 erreichte; zugleich wurde er ihr Vizepräsident. Daneben begann er Libretti zu schreiben, deren erstes 'Gl'Inganni felici' am 25. November 1695 im Teatro San Angelo aufgeführt wurde. Neben seiner lebhaften Tätigkeit für die Bühnen hatte er zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes verschiedene Posten in der Verwaltung inne. 1718 folgte er einem Ruf Kaiser Karls Vl. als Hofdichter nach Wien, wo er bis 1729 blieb und den Hof regelmäßig mit Opern- und Oratorientexten versah.
 

Sein Nachfolger wurde auf seinen Vorschlag hin Pietro Metastasio. Er selbst kehrte in seine Heimatstadt Venedig zurück, schrieb weiterhin Oratorientexte für Wien, veröffentlichte Gedichte und wissenschaftliche Schriften, war Mitglied verschiedener Akademien in Modena und Florenz und erfreute sich bei seinen Zeitgenossen sowohl als Dichter wie als Gelehrter großen Ansehens.

Apostolo Zeno ist alleiniger Verfasser von 35 Melodramen, 17 Oratorien, Serenaden, Szenarien 15 Dramen, die er zusammen mit seinem Dichterkollegen P. Pariati schrieb.
Sein größter Verdienst lag in der Straffung und Vereinheitlichung der unförmig aufgeschwoller Operndichtung, indem er alle Nebenpersonen und Nebenhandlungen auf ein Mindestmaß her drückte und die Zahl der Szenen und Szenerien weitgehend einschränkte. Fast gänzlich zum Opfer fielen Zenos Reinigungsbestrebungen das komische Element und der Bereich der Götter und Allegorien. Von weittragenden Folgen war die Konsequenz, mit der er den Wechsel von Rezitativ / Arie innerhalb der Szenen regelte. Er übernahm die schon vor ihm geübte Praxis, die an den Szenenschluss verwiesene Arie gleichzeitig zur Abgangsarie der jeweils singenden Person zu machen, schuf also damit einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Szenenzahl innerhalb der Akte und Personenzahl. Da die Hauptpersonen aus Prestigegründen alle gleich viele Arien, die Nebenpersonen aber entsprechend weniger erhalten mussten, war auf diese Weise die Szenenfolge und damit der Gang der Handlung fast rechnerisch bestimmbar.
 

Nach seinem geistigen Gehalt zu messen, ist das Werk unseres Dichters ein getreuer Spiegel der Vorstellungen, welche seine Zeit von Gesellschaft, Menschen und menschlicher Tugend hatte; nur muss von vornherein gesagt werden, dass diese Gesellschaft eine eng umgrenzte ist: Herrscher, Prinzen, Adlige kurz die Großen der Welt. Für sie schreibt Zeno, ihnen gilt sein Interesse.... die deutsche Kritik hat Stücke dieser Art trefflich 'Haupt- und Staatsaktionen' genannt. Mächtigste Triebfeder dieser Staatsaktionen ist die 'virtù', sie ist der Urquell alles Tragischen. Es genügt, dass einer seiner Helden in der Ausübung seiner 'Tugend' Hindernisse oder Widersacher antrifft, so ist die tragische Situation geschaffen. Da aber alle seine Helden hoch stehende Persönlichkeiten sind, so ergibt sich bei unserem Dichter eine direkte Abhängigkeit der Tragik von der sozialen Stellung der handelnden Personen.
 

Wenn vor ihm große Männer der Geschichte auf der Bühne eine klägliche Rolle spielten und virtù neben den Ränken Amors verkümmerte, so war sein Anliegen die Teilnahme des Publikums am 'gran carattere'.


"Tutta la sua vita, che fa l'altro fu lunghissima, fu interamente dedicata a questa riforma, ed all studio per questa riforma, poter attuare.

La sua biblioteca ed il suo museo personale, ove racolse il frutto delle innumerevoli ricerche, eramo famosissime in tutta Europa.

Egli fu veramente per il Teatro in musica, un 'Apostolo."
(Leonardo Bragaglia, Stori del Libretto, Roma 1970)

Seine Libretti erfreuten sich in ihrer Zeit großer Beliebtheit, obwohl ihre Vorzüge mehr in der Gesamtanlage zu finden sind als in ihrer dichterischen Ausführung im Einzelnen.

"Seine wissenschaftlichen Werke und weit reichenden Pläne zeigen Zeno als einen Mann von umfassender literarischer Bildung und vielseitigen Interessen. ihnen ver­dankte er seinen guten Ruf in der Gelehrtenwelt seiner Zeit, dem sein Librettistenruhm vielfach im Wege stand. Umgekehrt wurde dieser nicht selten vom Überwiegen der Gelehrsamkeit verdunkelt."
 

Pietro Metastasio,

geb. 1698 in Rom, gest. 1782 in Wien,

hieß mit bürgerlichem Namen Trapassi, stammte aus kleinbürgerlichen Verhältnissen, kam jedoch mit zehn oder elf Jahren in das Haus des Rechtsgelehrten und Literaten Gian Vincenzo Gravina, der ihn wie einen Sohn erzog. Er ging durch eine strenge, in erster Linie auf das Studium der griechischen und lateinischen Sprache und Literatur gerichtete Schule, die Gräzisierung seines Namens, die sein Gönner ihm gab, ist ein Symbol für die Geistesrichtung. Schon in jungen Jahren zeigte er verblüffende Fähigkeiten im dichterischen Improvisieren, schrieb eine Tragödie ('Il Giustino') in antikisierendem Stil, erhielt im 17. Lebensjahr die niederen Weihen und wurde damit 'abate'. Nach dem Tode seines Lehrers ging er 1718 nach Neapel, verdiente seinen Lebensunterhalt bei einem Advokaten und machte sich einen Namen als Verfasser eleganter, festlicher Dichtungen und wurde in die römische Akademie 'Arcadia' aufgenommen. So kam er auch mit den bedeutenden Komponisten der neapolitanischen Schule in Berührung, von denen z.B. Porpora seine Schäferpoesien vertonte. Schicksalhaft wurde für Metastasio die Bekanntschaft mit der Sängerin Marianna Benti Bulgarelli, genannt 'La Romanina', die ihm den Weg zur Operndichtung wies. Er erhielt Gesangs- und Kompositionsunterricht und als sein erster selbständiger Operntext 'Didone abbandonata' mit der Romanina 1724 in Neapel auf der Bühne erschienen war, folgte dann jedes Jahr ein neues Werk, die meisten davon in Rom und mit der Musik des hochangesehenen Leonardo Vinci. Auf den kometengleichen Aufstieg des jungen Dichters hin schlug der Wiener Hofdichter Apostolo Zeno, als er sich von seinem Amt zurückziehen wollte, ihn als seinen Nachfolger vor. Metastasio folgte dem ehrenvollen Ruf an den österreichischen Kaiserhof sogleich, traf im April 1730 in Wien ein und blieb als Poeta Cesareo dort bis an sein Ende.
 

“Pietro Metastasio verdankt seine einzigartige geschichtliche Stellung als anerkannter Dramen- und Operndichter außer seiner glücklichen dichterisch- musikalischen Veranlagung dem Schicksal, das ihm, den seine schwärmerisch-lyrische Natur auf den Weg Tassos und Guarinis wies, zunächst in die ganz gegensätzlich gerichtete, strenge Schule Gravinas gab. Nicht nur, dass sich durch die intensive Beschäftigung mit der antiken Literatur sein Horizont weitete, sein Formgefühl schärfte, seine Phantasie an Regelhaftigkeit und Ordnung gewöhnte und er dadurch schon über den Stand der bloßen 'Librettisten' seiner Zeit hinausgehoben wurde; er tat während dieser seiner Lehrzeit auch einen tiefen Einblick in den Zustand der italienischen Literatur jener antikisierenden Richtung und war deshalb wohl imstande, unter Vermeidung von deren Fehlern ein Kunstwerk zu schaffen, das ein Drama sein sollte und auch als solches anerkannt wurde, obwohl es eindeutig als 'dramma per musica' konzipiert war."
(Hermann Abert, Grundprobleme der Operngeschichte, Basel 1924)

 

Wenn schon gegen Ende des 17. Jahrhunderts der Librettist Silvio Stampiglia gegen die wuchernde Phantastik der venezianischen Textbücher eine neue Tendenz des Ernstes und der Einfachheit vertreten hatte, so waren es die Dichter Apostolo Zeno und Pietro Metastasio, die als schöpferische Dramatiker die Verfechter neuer ästhetischer Theorien wurden. Die als 'neapolitanische Oper' bezeichnete Gattung verdankt ihre von ganz Europa bestätigte Geltung einem venezianischen und einem römischen Poeten, die beide in ihrer Stellung als Wiener Hofdichter Begabung und Einfluss genug besaßen, der Musikbühne der Zeit ihre Gesetze vorzuschreiben. Die Musikbühne wird zur moralischen Anstalt, die Fähigkeit der Musik, reine, edle Gefühle auszudrücken, wird in erzieheri­scher Absicht ausgewertet, die Oper wird zu einer Schule geläuterter Humanität. Mag man die Schematisierung der Natur bedauern, wie sie in der metastasianischen Oper stattfand, ihre Welt ist die der aristokratischen Gesellschaft des Rokoko, es herrscht eine rationale, dem Vernunftsglauben des Aufklärungszeitalters entsprechende Dramaturgie.
So bunt auch die aus der antiken Geschichte oder Mythologie stammenden, in Europa, Persien oder China spielenden Ereignisse anmuten, werden sie doch von den gleichen Personentypen getragen, deren Tugend sich leuchtend vom schwarzen Laster der Gegenspieler abhebt. Alle aber, Tugendbolde wie Intriganten (in den meisten Fällen sechs an der Zahl) bewegen sich stets auf dem Boden der gleichen höfischen Konvention, ein getreues Abbild der Gesellschaft, deren Abgott Metastasio eben in erster Linie wegen dieser Eigenschaft seiner Figuren war.

 

3.2.3 Dramatisierungstendenzen der Opera seria

Fehler und Vorstellungen vom Drama des endenden 18. Jahrhunderts wertend an die ältere Gattung anzulegen, zeitigt ein verzerrtes Bild der Opera seria:


"There is on the part of certain writers a tendency to regard everything in the eighteenth-century opera before Gluck as being somewhat in the nature of a necessary but regrettable episode declining about the middle of the century to a hopeless low state of affairs, which Gluck, pratically singlehanded, redeemed through his so-called 'reforms'."
(Grout, D.J. - A short history of Opera, New York 1947)
Die Kunstwelt der Noblesse, des schönen, rational beherrschten Gefühls war jedoch in sich vollkommen und so ist es nur durch die Schwierigkeit, sich ihr vorurteilslos zu nähern erklärbar, daß sie immer noch dem ästhetischen urteil des 19. Jahrhunderts unterliegt.


"Das landläufige Wissen über die Opera seria erschöpft sich zumeist in der (nicht ein­mal zutreffenden) Feststellung, daß sie durch Gluck reformiert wurde. Diese zuerst von E.T.A. Hoffmann, später von Richard Wagner und besonders von dessen Parteigängern genährte Sichtweise 'von hinten' erhob eine zeitgebundene Polemik zum historischen Faktum, daß die Opera seria inhuman, unnatürlich und starr sei. Abgesehen davon, daß der Begriff der Natürlichkeit in der Diskussion um die Oper, in der Menschen singend mit einander verkehren, ohnedies einen zweifelhaften Platz innehat, abgesehen auch davon, daß der Begriff der Künstlichkeit in der Oper erst durch die Reformbestrebungen der Jahrhundertmitte einen negativen Beigeschmack erhielt, - auch die Metastasianische Oper verdient es, als Spiegel des Denkens und der Gesellschaft ihrer eigenen Zeit ernst genommen zu werden und nicht von vorn herein als reformbedürftiger Auswuchs beurteilt zu werden. "

(Kantner, Leopold - Neues Handbuch der Musikwissenschaft, Regensburg, 1985)

 

Berücksichtigt man, dass das schriftlich Fixierte lediglich der Rahmen war, innerhalb dessen die Sänger, auf deren Fähigkeiten die Kompositionen exakt zugeschnitten waren, ihre Gesangskunst frei entfalten konnten, so kommt man zu dem Schluss, dass von der Opera seria nur mehr Rudimente als Grundlagen der Forschung übrig geblieben sind. Erst auf der Basis sämtlicher vorhandener Quellen, - die verstreut und meist ungeordnet in den italienischen Archiven liegen - zu denen neben der notierten Musik - meist als Reprint nahezu unleserlicher, hastiger Handschriften - auch die Libretti, Aufführungsbeschreibungen, Szenenabbildungen und Darstellungen über die damalige Gesangspraxis gehören, könnte ein Bild von der Gattung gewonnen werden.

 

"Wenn wir überhaupt versuchen wollten, Phänomenen unserer eigenen Zeit ein Verständnis für die Geschichte abzugewinnen, dann müßten wir die italienische Oper des 18. Jahrhunderts in Parallele bringen mit der heutigen Oper plus Film, Fernsehen und sogar Fußballveranstaltungen. Das gilt übrigens nicht nur quantitativ, sondern in mancher Beziehung auch inhaltlich: Denn die Opern damals waren meist neu und wurden dafür schnell vergessen, nachdem sie eine Weile gelaufen waren (wie heute die Filme), man verbrachte aber nach Möglichkeit jeden freien Abend damit (wie heute mit Fernsehen), und in ihnen ereignete sich auch manchmal Unvorhergesehenes, was das Publikum zu Begeisterung hinriß und den Akteuren zujubeln ließ."

(Strohm, Reinhard – Die italienische Oper im 18. Jahrhundert, Wilhelmshaven, 1979)

 

Die künstlerische Bewältigung sozialer Realität erfolgte in einer Epoche ohne allgemeine Schulbildung und in der allein die Kirche ein überregionales System kultureller Einrichtungen unterhielt intensiv durch die Opera seria - hier waren die Herrschaftsansprüche der Fürsten, - und der Opera buffa - mit dem Grundthema des aufstrebenden Bürgertums.

 

Wir können feststellen, dass die Oper des 18. Jahrhunderts die entscheidenden Verhaltensmuster ihrer Zeit durch Typisieren der Charaktere, der Affektreaktionen in bestimmten Situationen und einzelner Rollen der Gesellschaft in den Vordergrund stellte. In den meisten Fällen - abgesehen von den möglichst leidenschaftlichen Affekten - war die Darstellung mit einer Bewertung verknüpft : mit dem verschiedenen Status von Bürgersmann und Edelmann und mit dem Sieg der guten, der Niederlage der bösen Charaktere, sie sollte Lehrmeister aller Tugenden, Bekämpfer aller bösen Leidenschaften sein.


3.2 4 Die Affekte

Die aus dem klassischen Altertum überlieferte Lehre von den Affekten beherrschte besonders im 17. und 18. Jahrhundert die Musikästhetik. Man versteht unter einem Affekt 'jede menschliche Leidenschaft und Gemütserregung. Der Name affectus (Passivum zu afficere = antun) lässt erkennen, dass der Affekt nichts anderes ist, als eine 'unselbstständige Folgeerscheinung' einer außer ihm liegenden Ursache.'

 

Aristoteles definierte den Affekt als eine mechanische Seelenbewegung, die mit Notwendigkeit auf eine einwirkende Kraft erfolgt.

In den 'Passiones animae' (1649) kennzeichnet René Descartes die 'passions' als Emotion der Seele, verstärkt durch die 'esprits animaux', feinste Blutteilchen, die sich zum Gehirn bewegen, dann gelangen die 'Lebensgeister' von dort aus in die Nerven und Muskeln, welche sie nun auf alle mögliche Art in Bewegung setzen. Im Zustande solcher Affektionen zeigen die 'Lebensgeister' gegensätzlich Tendenz: bei freudiger Erregung breiten sie sich aus (musikalisch: weite Intervalle), bei ernsten und traurigen Affekten ziehen sie sich zusammen (musikalisch: enge Intervalle).

 

Schon die Pythagoreer, welche die Grundlinien für die griechische Ethoslehre zogen, wiesen darauf hin, dass gewisse melodische Bewegungen entsprechende Bewegungen in des Hörers Seele, also Affekte, hervorrufen. Plato andererseits wollte nur eine von sittlich-erzieherischen Gesichtspunkten getragene Musik anerkennen. Aristoteles war weniger einseitig, indem er neben der sittlich-guten auch die sinnlich-schöne Musik anerkannte.

Für den monodischen Gesang in der Oper erwähnt bereits Giulio Caccini in der Vorrede zu den 'Nuove musiche' (1602) als neues Vortragsideal des Gesanges das

'cantare con affetto".

 

Bis ins 18. und sogar ins 19. Jahrhundert wirkte die antike 'ars oratoria' in ihrer Beziehung zur Musik nach.

 

Ähnlich wie sich die Poesie die wohldurchdachte und bis ins feinste ausgearbeitete Lehre der Rhetorik dienstbar machte, entnahm ihr auch die Musik alles nur Mögliche, um auf den von ihren sturmerprobten Regeln und Gesetzen vorgezeichneten Wegen sicher und ungefährdet vorwärts schreiten zu können.

 

Erst die in der Romantik aufkommende musikalische Laienästhetik hat diese engen Beziehungen zwischen den beiden Künsten, Musik und Rhetorik zerrissen; diesen ro­mantischen Ästhetikern war die Musik eine Kunst aus himmlischen Höhen und nebelhaften Fernen, schemenhaft und unbegreiflich, bis schließlich bei Hanslick die musikalische Ästhetik zu bloßem Formalismus erstarrte. Stellt man diesen Anschauungen die Urteile der Ästhetiker etwa des 18. Jahrhunderts entgegen, so muss sofort die große Klarheit und Sicherheit in allen Fragen des praktischen Musiklebens und seiner ästhetischen Beurteilung in die Augen springen. Man hat sogleich den Eindruck, dass sie für ihre Ansichten und Beurteilungen ein festes, gesichertes Fundament besitzen, das der romantischen Ästhetik fehlt. Die Erklärung für diese Tatsache liegt auf der Hand: die Ästhetiker des 18. Jahrhunderts, wie Heinichen, Mattheson, Scheibe u.s.w. waren mitten im Musikleben stehende Musiker, die Ästhetiker der Romantik dagegen - Dichter oder Philosophen, unter deren Einfluss sich die auf festem Boden stehende Musikanschauung oft genug zu bloßer übersinnlicher Spekulation verflüchtigte.

 

Arnold Schering machte als einer der ersten in seinem Aufsatz 'Die Lehre von den musikalischen Figuren im 17. und 18. Jahrhundert' im Kirchenmusikalischen Jahrbuch 1908 auf die Verbindung der Musik mit der Rhetorik aufmerksam, ebenso schrieb H: Kretschmar im Peters Jahrbuch 1911 über 'Allgemeines und Besonderes zur Affektenlehre.'

Ziel der Rhetorik ist es, die Beherrschung der Sprache und Grammatik vorausgesetzt, die Zuhörer von der Richtigkeit des Vorgetragenen zu überzeugen.
 

Dazu stellt das Lehrsystem vier Arbeitsgänge auf:

1.         die lnventio

2.         die Dispositio oder Elaboratio

3.         die Decoratio

4.         die Pronuntiatio oder Elocutio oder auch die Actio
 

Da der Redner beabsichtigt, die Zuhörer zu etwas zu überreden, wird ihm dies durch eine trockene und leblose Ausdrucksweise auch bei größter Beweisfähigkeit seiner Argumente nicht gelingen, es sei denn, er verstehe es, seine Hörer mitzureißen, in ihnen eine in der Absicht seiner Rede liegende Leidenschaft wachzurufen.

Alle Rhetoriker von Quintilian bis Gottsched betonen die Wichtigkeit der rhetorischen 'Pathologie'. So sagt Christoph Gottsched (1700-1766), der Schriftsteller, Herausgeber, Gelehrte und Kunstrichter in seinem 'Grundriss zu einer vernünftigen Redekunst' (Hannover 1729):
 

"Die fürnehmsten Affekten, welche man erregt, sind: Liebe und Haß, Zorn und Mitlei­den, Freude und Betrübnis, Furcht und Hoffnung, Zuversicht und Verzweiflung, Scham und Ehrbegierde, Reue und Frohlocken u.s.w..

Eben dieselben müssen auch bisweilen gedämpft werden."
 

Aus diesem Bedürfnis nach leidenschaftlichem, die Zuhörer erregenden Ausdruck entwickelte sich die Lehre von den rhetorischen Figuren und Tropen. (Diese zu betrachten wäre zwar verlockend, ist aber ein spezielles Thema.)
Immer wieder betonen Dichter, Musiker und Theoretiker die Notwendigkeit der Affektdarstellung in der Musik und es bedeuteten auch Tempo und Dynamikangaben stets eine Anleitung zur Affektdarstellung:

 

allegro

triste

acute

largo, tremulo, prigliante

forte

piano

punctim

largo amorose

=         laetitiae

=         tristitiae

=         audaciae

=         timoris


=         clamoris

=         silentiae et quietis

=         incissionis, crudelitatis

=         amoris


Diese Anleitung zu kennen, war besonders für die Sänger wichtig, da ihnen ja die Hauptaufgabe der decoratio, pronuntiatio, elocutio und actio zufiel.

(Wird fortgesetzt)


 



Unerledigter Schriftverkehr
 

Kulturjournal Regensburg
Holzländestr. 6
93047 Regensburg
info@kulturjournal.de

Abs. Kulturjournal – Holzländestr. 6 – 93047 RBG

Herrn Verwaltungsdirektor
Jürgen Braasch
Nds. Staatstheater Hannover GmbH                             15. April 2018
Opernplatz 1
30159 Hannover


Betrifft: Kunden Nummer 169739

 

Sehr geehrter Herr Verwaltungsdirektor,

am 28. März 2018 wurden zwei Karten - Parkett erste Reihe - für die Vorstellung ’Der Besuch’ am 26. Mai 2018 gekauft.

Am 8. April 2018 stellte man anlässlich des Besuchs der Einführung ’Aida’ anhand des Leporello Mai 2018 fest, dass die besagte Vorstellung nun mit 2:1 angeboten wird.

Am 11. April wurde der Fall Frau Wüst an der Kasse vorgelegt und von ihr festgestellt, dass hier inzwischen eine Preis-Freigabe vorgenommen wurde.

Eine Frau Achenbach mischte sich weniger kundenfreundlich ein und kommentierte, wenn man eine Hose kaufe und diese dann 3 Tage später ’im Sale’ sei, dann habe man eben Pech gehabt.


Es wurde eingewendet, es sei wohl ein Unterschied, ob man sich eine Hose oder eine Eintrittskarte für den Besuch einer Vorstellung der Nds. Staatstheater Hannover GmbH kaufe.

Die Rücksprache seitens Frau Wüst mit einer Vorgesetzten ergab dann, dass man auf dem Kulanzwege bereit sei, die Karten umzutauschen und einen Gutschein auszustellen.
Es kann wohl nicht angehen, dass man Termine macht, den Kartenvorverkauf bei der Oper nutzt, anreist und dann in der Vorstellung feststellt, dass die Nachbarschaft im Zuschauerraum 50 Prozent weniger gezahlt hat.

Man hatte zu früh gekauft und – wie sich Ihre Frau Achenbach ausdrückte – ’eben Pech gehabt’.
Eine andere Angelegenheit bezieht sich auf einen Hinweis Ihrerseits, der wie folgt kolportiert wird:

Das Staatstheater Hannover als einem Vierspartenbetrieb mit Oper, Schauspiel, Ballett, Konzert habe in der Spielzeit 2016 / 2017 34 Premieren, 46 Wiederaufnahmen innerhalb von 1.271 Veranstaltungen gegeben.
Diese seien von 370.009 Personen besucht worden, was einer Auslastung von 75 Prozent entspreche.

Dividiert man die 370.009 Besucher durch die Anzahl der 1.271 Veranstaltungen – so ergibt sich rein rechnerisch:
370.009 : 1.271 = 291,12

Das bedeutet 291 Personen besuchten die einzelne Veranstaltung.
Setzt man nur die 1.202 Plätze im Opernhaus an, so ergibt sich hier eine Auslastung von 24,2 Prozent.
Legt man 370.009 Besucher auf die 2.564 als Gesamtzahl der innerhalb der Nds. Staatstheater Hannover GmbH laut Bühnenjahrbuch 2017 zur Verfügung stehenden Plätze um, so errechnet man eine Auslastung von nur 11 Prozent.

Leider wird der Begriff ’Veranstaltung’ nicht definiert.
Verstehen Sie darunter z.B. auch
07. April 2018 Nachtwandler – „Alone together“
16. April 2018 Führung durch das Opernhaus
25. April 2018 Publikumschor „Mit Glanz und Gloria“
oder
am 06. Mai 2018 das ’Spielzeit-Frühstück Extra’ im Schauspiel?
 

Ich wäre Ihnen dankbar, Sie könnten zu beiden Fällen schriftlich weitere Informationen geben und zur Klärung beitragen, um Irritationen zu vermeiden.

Mit besten Grüßen

Peter Lang
 



 

Dieses Schreiben wartet noch auf seine Beantwortung.

Der Herr Verwaltungsdirektor ist noch mit anderen Dingen beschäftigt. Da soll die Kundschaft ruhig warten.


Fakt ist aber, dass der Vorverkauf für die Saison 2018 / 2019 bereits am 6. Juni 2018 begonnen hat.
Wer also jetzt so naiv ist, seine Karten für die angebotenen Vorstellungen weit im Vorhinein zu kaufen, der geht die Gefahr ein, zu teuer einzukaufen.
Es kann ihm nämlich passieren, dass die Karten später im Jahr verramscht werden nach dem Motto verkauft:
’Kauf eine, kriegste ’ne zweite dazu!’ -
oder
’Wenn du unter 30 bist,
kann’ste für 5 Euro pro Karte in die Oper!


Derjenige, der den regulären Preis zahlt, weil er frühzeitig seine Karten kauft, da er zu planen hat, der muss sich dann von der Verkäuferin Achenbach an der Kasse sagen lassen:
“Da haben Sie eben Pech gehabt!“

Es wird zu prüfen sein, wie dieses Verhalten der kaufmännischen Leitung der Nds. Staatsoper Hannover rechtlich einzuordnen ist.



 

Schlussbemerkung

Mannschaft – Ensemble - Notgemeinschaft

Während einer Fußballweltmeisterschaft kochen die Emotionen besonders hoch und wenn man mit dem Blick des Darstellers menschlichen Verhaltens die Äußerungen von Hoffnung, Angst, Enttäuschung, Wut, Entsetzen, Freude, Jubel, Extase beobachtet, findet man die gesamte Skala menschlicher Gefühlsäußerungen.

Hinter all diesem Verhalten, angefacht vom Kampfeswillen der Mannschaften  oder auch ihrem Versagen steht ein Gerüst von Organisation und viel Geld, das wiederum viel Geld bringen soll.

Hier liegen Parallelen zur Theaterkultur aber auch Unterschiede.
Es ist natürlich spannend, ob es eine Mannschaft hinkriegt durch geschickte Züge und den entscheidenden Schuss den Ball ins gegnerische Tor zu donnern. Die Fans jubeln, der Kurswert der Spieler steigt, die Agenten rangeln um die Besten.

Nicht viel anders geht es in einem Theaterensemble zu.
Zusammengeschweißt in dem Willen eine Aufführung zu einem Erfolg zu führen, mobilisiert jedes Mitglied alle Kräfte. Besteht Vertrauen und Sympathie unter den Ensemblemitgliedern steigern sich die Leistung gegenseitig, man freut sich am Gelingen der Kollegen, was dem eigenen Gelingen wieder zugute kommt.

Leider erlebte ich auch widerliche alte Männer, die in meinen Anfängerjahren versuchten, übergriffig zu werden und – nach der Zurückweisung - mich schikanierten.
Ohne hören zu müssen: ’Das gehört dazu’ – können sich die Kolleginnen dank ’MeToo’ heute wehren.

Vom Hamburger Intendanten Rolf Liebermann ging einst die Botschaft aus, Ensembles müssten ad hoc für das jeweils geplante Stück zusammengestellt werden. Die Folge ist, dass kein langfristiger Spielplan zusammengestellt werden kann, wenn das Ensemble nur aus einem Bassisten besteht. So an einer deutschen Bühne.
Kommt dann noch das Blocksystem hinzu (fünfmal hintereinander Holländer weil man das Einheitsbühenbild dann für diese Spieltage stehen lassen kann), ist kein abwechslungsreicher Spielplan mit täglichem Wechsel der Werke zu gestalten.

Die reiche Theaterlandschaft Deutschlands mit ihren eigenen Ensembles, eigenem Chor, Ballett und Orchester, wo Talente aufwachsen und reifen können, darf nicht dem ’Trumpismus’ unter dem amerikanischen Beschäftigungsmotto:
Hire and fire!
geopfert werden.

Die Sport-Mannschaften und Theaterensembles, wenn sie denn in gut inszenierten Stücken tätig werden, vermitteln den Bürgern Gemeinsamkeit und Begeisterung für ihre Stadt.
Kurzzeitverträge und dauernde Angst, demnächst auf der Straße zu stehen, erniedrigen die Kollegen zu einer Notgemeinschaft als säßen Unbekannte zusammengekauert im Luftschutzraum, während draußen die Bomben fallen.

ML Gilles

 



Ohne Kommentierung der darin über
oper-hannover.de
veröffentlichten orthografischen Fehler!

 


Startseite - Aktuelles - Vorstellungsausfall!

Vorstellungsausfall!

Wegen Erkrankungen im Opernensemble entfällt am
Sonntag, 10. Juni 2018, 18.30 Uhr die Vorstellung
'Die verkaufte Braut'.

Bereits erworbene Karten für diese Aufführung können an der jeweiligen Vorverkaufsstelle umgetauscht oder zurückgegeben werden.

Die nächste und zugelich letzte Vorstellung der 'Verkauften Braut' findet am Dienstag, 26. Juni, 19.30 Uhr statt.

Wir bitte um Ihr Verständnis.

 


Dass die Vorstellung ohne Ersatztermin ausfiel, dokumentiert, dass sich das Interesse der Bevölkerung, was die Nds. Staatsoper Hannover angeht, in Grenzen hält, selbst wenn Karten zu Super-Sondervergünstigungen angeboten wurden.
In Heft 7/18 machten wir die Sache deutlich.

Nun übernimmt “die Amerikanerin Laura Berman“ (Zitat HAZ vom 17. Juli 2018) die Leitung des Hauses der Nds. Landeshauptstadt zum Beginn der Spielzeit 2019/2020.
Ohne Transparenz der Bevölkerung gegenüber, in einem unfairen Verfahren potentiellen eventuellen Bewerbern gegenüber - weil ohne öffentliche Ausschreibung - wurde sie von einer Frau Schwandner und einem Herrn Lehmbruck (der war früher mal beim Theater in Ulm) ausgesucht, die ja laut Jürgen Braasch, dem kaufmännischen Leiter der Nds. Staatsoper GmbH, „über die nötige Kompetenz für die Auswahl verfügen.“

Dass dies nicht stimmen kann, zeigte die Verlängerung des Vertrages mit Herrn Dr. Klügl, zu dem sich das Ministerium für Wissenschaft und Kultur in einer Mitteilung vom 19. März 2014 äußerte:

Zitat
„In nunmehr acht Spielzeiten leitet Michael Klügl sowohl in künstlerischer als auch wirtschaftlicher Hinsicht sehr erfolgreich die Staatsoper Hannover. Er hat dabei durch die Etablierung der Jungen Oper die Jugendarbeit deutlich aufgewertet", sagte die Niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur, Gabriele Heinen-Kljajić, nach der Sitzung des Aufsichtsrates in Hannover. „Ich freue mich sehr, dass Herr Klügl seine Arbeit in Hannover bis 2019 fortsetzt."
Zitatende

Denn schon damals war erkennbar, dass die Akzeptanz der angebotenen Werke nicht gegeben war, weil die Gestaltung der Produktionen nicht dem Geschmack des Publikums entsprach. Trotzdem verlängerte Rot/Grün.
 


Am 17. Juli 2018 veröffentlichte die HAZ ein Gespräch mit Mrs. Berman.
Darin führt sie u.a. aus:

Zitat
Mein erstes Ziel ist allerdings, gutes Theater für Hannover zu machen. Es geht um die Menschen hier, die bereit sind, Karten zu kaufen, um sich das anzusehen, was wir produzieren.
Zitatende

Es ist anzunehmen, dass Herr Dr. Klügl mit der gleichen Überlegung nach Hannover kam.
Nur gelang es weder seinem Vorgänger, Albrecht Puhlmann, noch ihm, den Spielplan so umzusetzen, dass er vom Publikum akzeptiert wurde.
Die Produktionen aus einem gängigen Repertoire wie z.B.
’Werther’, ’Rusalka’, ’Freischütz’, ’Fledermaus’, ’Macht des Schicksals’, ’Falstaff’, ’Holländer’, ’Liebestrank’ – ganz abgesehen von ’Lot’, ’Traumgörge’, ’Karmelitinnen’ – kamen beim Publikum nicht an, der dritte Rang bei den meisten Vorstellungen geschlossen.
Schon früher scheiterte Herr Dr. Klügl z.B. mit ’Ring’ und ’Meistersinger’.
Grund hierfür die an den Haaren herbeigezogenen Regiekonzepte mit den nicht zum Stück passenden – aber aufwändigen – Bühnenbildbauten.
Hierfür wurden die Werkstätten auch noch erweitert und erneuert.
Inwieweit aber Wahllosigkeiten mit Freiheit der Kunst abgedeckt ist, wenn öffentliche Gelder für Bühnenbilder vergeudet werden, die in keinem Zusammenhang mit den Stücken - aus der Sicht des Autors – stehen, wird zu prüfen sein.
Die Nichterfüllung des Bildungsauftrages bei diesen Produktionen wird vorgeworfen, denn diese Darstellungen von Werken der Weltliteratur kann nicht mit Hinweisen wie ’Deutung’ oder ’Interpretation’ oder ’Entwicklung seit 1945’ kaschiert werden.

Interessant ein aktueller Vorgang beim Theater Regensburg:
Der dortige Theaterdirektor, Freiherr von Enzberg, sah sich der Kritik einer großen deutschen Tageszeitung ausgesetzt.
Er habe aus ’Feigheit’ einen erfahrenen Künstler für den Posten des Oberspielleiters Schauspiel und als Nachfolger der nicht verlängerten Frau Junge engagiert, statt eines jungen Wilden.
Herr von Enzberg reagierte mit den Worten, für so einen habe er in Regensburg kein Publikum.
Es geht also um das Publikum und nicht darum, eigene
'Ehrgeizelein' zu Lasten des Steuerzahlers zu befriedigen.
 


 



Leserbriefe

„Liebe Frau Gilles,
mit Ihren Ausführungen zu „Aida“ haben sie uns und vielen anderen aus vollem Herzen gesprochen. Ich frage mich immer, warum der kulturelle Bildungsauftrag so beliebig geworden ist. Wir geben die Hoffnung nicht auf.
LG Ihre R.B. aus H.“




„  ...  ich habe bei Ihrer "Mitschrift" von AIDA laufend laut gelacht, liebe Frau Gilles, auch wenn es natürlich gar nicht zum Lachen war. […]
Terminlich bedingt steht mein Besuch bei AIDA indes noch aus ... jetzt erstmal aber Sommerurlaub, beste Grüße, Ihr
K. aus H.“



 

Impressum

erscheint als nichtkommerzielles Beiblatt zu

- ausgezeichnet mit dem Kulturförderpreis der Stadt Regensburg -

kulturjournal - Holzländestraße 6 - 93047 Regensburg

Ersterscheinung der Ausgabe Regensburg am 27.07.2007
Erscheinungsweise: kulturjournal-regensburg zehn Mal pro Jahr von Februar bis August und Oktober bis Dezember
Ausgabe des Beiblattes als ’Mitteilung an meine Freunde’ – gewöhnlich zum Anfang eines Monats

Verteilung Regensburg: u.a.
Direktversand, Hotels, Theater, Galerien, Veranstaltungsorte, Tourist-Info, Bahnhöfe
Verteilung Hannover u.a.:
Mitglieder der Bürgerinitiative Opernintendanz
Niedersächsische Landesregierung, Politische Parteien im Nds. Landtag
Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, Bund der Steuerzahler,
Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger, Richard-Wagner-Vereine
Feuilletons von Tageszeitungen
Direktversand an ausgewählte Leserschaft
RA Frank Wahner, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Hannover

Wir verstehen diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen, sondern als Hinweis auf - nach unserer Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes. Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire. Hierfür nehmen wir den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.
Wir benutzen Informationen, hauptsächlich aus eigenen Unterlagen, aus dem Internet u.a. Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Museums, der Preußen-Chronik, Wikipedia u.ä..
Texte werden paraphrasiert wiedergegeben oder als Zitate kenntlich gemacht.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verzichten wir auf Differenzierungen und verwenden geschlechtsneutrale Formulierungen. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung.

Titelbild der Printausgabe:
Erwin Piscator, Zeichnung von
Siegfried Shalom Sebba, 1930
in ERWIN PISCATOR - Eine Arbeitsbiographie - Verlag Frölich & Kaufmann Berlin

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